Am Dienstag schien in Venezuela ein Putsch seinen Anfang zu nehmen. Bald wurde klar: Von einem Volksaufstand mit Rückendeckung bedeutender Teile der Armee konnte nicht die Rede zu sein. Dem von Oppositionsführer Juan Guaidó angeführten Umsturzversuch fehlte es an Durchschlagskraft. Wohl auch, weil er seine Pläne verfrüht umsetzen musste, sagt Günther Maihold. Der Lateinamerika-Experte erklärt, ob die USA der geschwächten Opposition nun zu Hilfe eilen.
SRF News: Die USA unterstützen Oppositionsführer Juan Guaidó. Was erhoffen Sie sich von ihm?
Günther Maihold: Er soll die Sicherheit der USA wiederherstellen. Das mag auf den ersten Blick nicht ersichtlich sein. Venezuela ist heute ein zentraler Umschlagplatz für Kokain, das aus Kolumbien kommt. Das Land hat umfassende Erdölressourcen.
Moskau nutzt Venezuela als eine Art Gegenbeispiel zur Ukraine: Man unterstützt eine Regierung, die den USA gewisse Schwierigkeiten im eigenen Hinterhof macht.
All dies ist unter der geopolitischen Logik, die gegenwärtig in Washington dominiert, zentral. Letztendlich stellt sich auch die Frage, ob es im Sinne einer Domino-Theorie dazu kommen würde, dass Kuba wanken würde.
Die USA drohen Kuba bereits mit Sanktionen, falls es seine Unterstützung für Maduro nicht stoppt. Wie schmerzhaft wären solche Sanktionen für Kuba?
Das ist schwer vorauszusehen. Gegenwärtig erkennen wir vor allem die Strategie der USA, mögliche wirtschaftliche Interessen von Kuba zu schädigen. Man hat Gesetze in Kraft gesetzt, die es erlauben, gegen ausländische Investoren in Kuba vorzugehen.
Guaidós Pläne sind durcheinandergeraten – das schädigt seine künftige Durchschlagskraft.
Erweiterte Sanktionen durch die USA könnten nur Kubas Zugang zu Lebensmitteln und Medikamenten betreffen. Das Land könnte hier aber sicherlich auf andere Märkte zugreifen.
Russland dagegen hat ganz andere Interessen in Venezuela als die USA. Es hat viel Geld investiert. Worum geht es Moskau ausserdem?
Russland geht es natürlich um die Kredite, die es Maduro gegeben hat. Man erwartet dafür entsprechende Erdöllieferungen. Das gilt auch im Fall von China. Zum anderen nutzt Moskau Venezuela als eine Art Gegenbeispiel zur Ukraine: Man unterstützt eine Regierung, die den USA Schwierigkeiten im eigenen Hinterhof macht. Man erhofft damit, Wirkung bei US-Präsident Trump zu erzielen.
Oppositionsführer Guaidó rief am Dienstag zu einem Machtwechsel auf. Er schien sich seiner Sache sehr sicher. Was ist aus seiner Sicht schiefgelaufen?
Es scheint so, dass er seinen Plan vorziehen musste, weil er eine undichte Stelle vermutete. Das führte dazu, dass alle überrascht waren: Die Bevölkerung war nicht vorbeitet, genau so wenig wie seine eigenen Unterstützer. Letztendlich war das Ganze auch so schlecht orchestriert, dass lediglich 30 bis 40 Armeeangehörige Guaidó Gefolgschaft geleistet haben. Die Pläne sind also durcheinandergeraten – das schädigt seine künftige Durchschlagskraft.
Guaidó hat zu neuen Demonstrationen aufgerufen. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihn Maduro nun verhaften lässt?
Er wird das nicht vor Publikum machen. Wenn er es vorhat, wird Maduro das zu einem geeigneteren Zeitpunkt tun. Der entscheidende Punkt ist aber, dass Guaidó die Zeit wegläuft. Er kann sich nur mit Massenmobilisierungen profilieren. Allerdings wächst die Frustration der Bevölkerung, weil sie keine Ergebnisse sieht. Insofern versucht er durch spektakuläre Aktionen wie gestern einen Impuls zu setzen.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.