Die Einladung zum Gespräch schreibt Emmanuel Macron aus der Defensive. Weil er bei der Protestbewegung «Gilets Jaunes» kein Gehör findet, will er mit der ganzen Bevölkerung sprechen. Es geht um den Staat und seine Beziehung zu Bürgern. Es geht um die politischen Entscheidungsstrukturen. Und es geht auch um die Umweltpolitik.
Vor allem aber möchte Frankreichs Präsident die Blockade aufbrechen, in der sich das Land seit dem Herbst befindet.
Alle Fragen willkommen
Dass Macron mit der Debatte einen Befreiungsschlag versucht, ist deutlich. Vieles wirkt improvisiert. Die Spielregeln sind bis zuletzt unklar. Die Regierung will sie erst heute Montag präsentieren – weniger als 24 Stunden, bevor die Diskussion beginnen soll. Auch die unabhängigen Persönlichkeiten sind noch nicht bestimmt, die die Debatte begleiten sollen. Sie sollen den Verdacht entkräften, dass hinter den Kulissen alle Entscheidungen bereits gefallen sind.
In seinem Brief stellt Emmanuel Macron 35 konkrete Fragen, auf die er gerne Antworten aus der Debatte hätte. Er sei auch für weitere Themen offen. Alle Fragen seien zulässig. Ausser nach der Wiedereinführung der Vermögenssteuer und der Abschaffung des Asylrechts.
Opposition will keinen Dialog
Aber auch mit diesen roten Linien riskiert Emmanuel Macron, dass am Ende der Debatte ein Grossteil der Teilnehmer ihren Gesprächsbeitrag nicht mehr in den Schlussfolgerungen der Debatte wiederfinden. Und sich so bestätigt sehen im Misstrauen gegen die Bereitschaft der Regierung zu einem offenen Dialog.
Dies gilt auch für die Mitglieder der Protestbewegung und jener Oppositionsparteien, die sich dem Dialog verweigern wollen. Sie sehen ihn sowieso nur als Versuch der Regierung, Zeit zu gewinnen und den Protest zu schwächen.
Das sind schlechte Voraussetzungen dafür, dass der nationale Dialog gelingt. Das Risiko ist gross, dass Frankreich den neuen Gesellschaftsvertrag verpasst und sich noch tiefer in der politischen Blockade wiederfindet.