Am Montag wurde in Venezuela eine Währungsreform durchgeführt. Präsident Nicolas Maduro setzte auf eine massive Abwertung des Bolivars. Er will so die Wirtschaft wieder zum Laufen bringen. Das Land befindet sich seit Längerem in einer schweren politischen, wirtschaftlichen und mittlerweile auch humanitären Krise. Michael Langer ist Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Caracas. Er erzählt aus dem Alltag nach der Währungsreform.
SRF News: Wie wirkt die Währungsreform?
Michael Langer: Sie hat eine grosse Verunsicherung in der Bevölkerung ausgelöst. Das Ziel war, Transaktionen leichter zu machen und die Bargeldversorgung zu verbessern. Es gab in den letzten zwei, drei Wochen kaum noch Bargeld. Das wird sich vorübergehend verbessern. Auf der anderen Seite ist diese Massnahme mit ganz vielen anderen Massnahmen kombiniert worden, so dass die Unsicherheit sehr gross ist.
Die Leute, welche den Mindestlohn von umgerechnet 1.5 Dollar im Monat erhalten, konnten sich Nahrungsmittel nicht leisten, und die können sie sich auch in Zukunft nicht kaufen.
Wie muss man sich das vorstellen? Gibt es Warteschlangen vor den Bancomaten?
Es gibt lange Warteschlangen. Die kennen wir in Venezuela schon von den vorherigen Wochen und Monaten, Warteschlangen in Supermärkten oder vor Bankschaltern. Die Bancomaten konnten kaum noch Geld ausgeben, weil das Geld, das ausgegeben wurde, nichts mehr wert war. Jetzt können sie zumindest wieder Scheine ausgeben, mit denen man sich einen Kaffee kaufen kann.
Haben die Leute nun wieder Nahrungsmittel, bekommen sie wieder etwas für ihr Geld?
Die Leute, die Geld haben, bekommen etwas. Das war auch vorher schon so. Die Leute in einer privilegierten Situation, wenn sie zum Beispiel Zugang zu Devisen haben oder in staatlichen Führungsfunktion arbeiten, konnten sich die hohen Preise leisten. Doch die Anderen, die, welche den Mindestlohn von umgerechnet 1.5 Dollar im Monat erhalten, die konnten sich Nahrungsmittel nicht leisten, und die können sie sich auch in Zukunft nicht kaufen. Deswegen sieht man auf den Strassen Leute, die die Abfälle durchwühlen und um Hilfsleistungen bitten. Als Ausländer werde ich dauernd gefragt, ob ich helfen könne. Vor einer Bäckerei zum Beispiel fragen mich die Leute, ob ich ihnen etwas Brot kaufen könne.
Wegen Hunger, Gewalt und politischer Unterdrückung haben 2,3 Millionen Menschen Venezuela bereits verlassen. Geht dieser Exodus weiter?
Ich denke, er geht weiter. Aber die Nachbarstaaten können diese Leute nicht ohne Weiteres aufnehmen. In Ecuador wird im September eine Konferenz der Aussenminister stattfinden. Dort wird diese Flüchtlingsbewegung besprochen. Ecuador und Peru haben die Passvorschrift eingeführt. Vorher konnten Venezolaner ohne Weiteres in Kolumbien, Peru, Ecuador arbeiten, ohne Visum, einfach nur mit ihrem Personalausweis. In Zukunft wird das nicht mehr möglich sein. Das ist ein Rückschritt für das Zusammenwachsen des Kontinents.
Das Gespräch führte Romana Costa.