Was ist in der Türkei los? Ein Mann namens Sedat Peker sorgt für Gesprächsstoff. Er ist ein bekannter Krimineller. Die Medien nennen ihn Mafiaboss. Er ist in Dubai im Exil und provoziert neuerdings mit Videos auf Youtube. Darin nimmt er sich die türkische Politik und ihre Verbindungen zum organisierten Verbrechen vor. Er spricht von einem regelrechten «Sumpf» in Ankara. Dieser reiche von Missbrauch über Bestechung, Vergewaltigung, Drogenhandel bis zu Mord – die ganze Palette der schweren Verbrechen.
Was erzählt er in den Videos? Er hat zwei Personen ins Zentrum gestellt. Zum einen Mehmet Ağar, ein früherer Polizeichef, der auch schon Justiz- und Innenminister war, und dessen Sohn Tolga. Zum anderen Süleyman Soylu, den aktuellen Innenminister. Tolga habe eine 18-jährige Journalistin vergewaltigt, sagt Peker. Diese sei zur Polizei gegangen und am nächsten Tag habe man sie tot gefunden. Peker wirft Tolgas Vater nun vor, dass er den Tod der Frau als Selbstmord zu vertuschen versucht habe. Zudem habe er eng mit dem Innenminister zusammengearbeitet. Soylu habe ihn gedeckt und ihn auch gewarnt vor Ermittlungen gegen ihn. Jetzt habe er ihn fallen lassen.
Wie reagiert die türkische Politik? Sie hat zunächst gar nicht reagiert. So hat der Innenminister zum Beispiel Pekers Youtube-Kanal nicht verbieten lassen, wie die Regierung das sonst tut, um Kritiker mundtot zu machen. Soylu macht seinem Ärger allerdings über Twitter Luft. Er bezeichnete Peker als Dreckskerl und Ratte und erstattete Anzeige wegen Diffamierung. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich bisher nur sehr allgemein dazu geäussert: Er sprach von giftigen Schlangen, von kriminellen Banden, und verglich sie mit Terrororganisationen.
Wie glaubwürdig ist das, was Peker sagt? Peker legt keine Beweise vor. Seine Strategie ist, der Staatsanwaltschaft zu sagen, wo sie genauer hinschauen soll. Zum Beispiel, dass sie die Handyverbindungen von einer Person kontrollieren soll, um festzustellen, dass diese tatsächlich an einem bestimmten Tag eine bestimmte Person getroffen hab, so wie Peker es behauptet. Und da Peker über Jahre enge Kontakte zur Politik gepflegt hat, gilt er als Insider. Deswegen sind diese Videos brisant und machen manche in Ankara nervös.
Was löst das in der Türkei aus? Die Videos – bis jetzt gibt es sechs davon – erreichen mittlerweile ein Millionenpublikum. «Man kann sich das vorstellen wie der letzte Renner unter den Soap Operas», sagt ARD-Korrespondentin Karin Senz in Istanbul. «Alle warten auf die nächste Folge, die am Sonntag kommen soll.» Viele rätseln denn auch schon, was er womit genau gemeint haben könnte. «Er hat Gegenstände auf seinem Tisch liegen, die irgendwie Hinweise geben sollen. Im Hintergrund läuft ein Fernseher. Auch da glaubt man, dass da Hinweise gezeigt werden. Aber man versteht nicht alles.»
Inzwischen gebe es schon erste Erklärvideos bei YouTube, was gemeint sein könnte, so Senz. «Peker hat inzwischen wirklich den Status eines Serienstars. Und wahrscheinlich ist es auch deswegen für die Menschen in der Türkei so faszinierend – weil er Menschen angreift wie den Innenminister, der bisher als unangreifbar galt, weil er sozusagen einen Vorhang auf die Seite schiebt bei Dingen, die die Menschen hier zwar oft vermutet haben, aber sich keiner auszusprechen gewagt hat und wo keiner wirklich hineingucken konnte.»