Thailand ist eigentlich ein buddhistisches Land. Doch neben dem Buddhismus spielen auch Geister, Götter, Wahrsager und eine grosse Prise Aberglaube eine wichtige Rolle.
In vielen buddhistischen Klöstern und Tempeln können sich die Gläubigen mit ein paar Baht etwas Seelenfrieden oder das Glück in Lotto oder Liebe erkaufen. Der buddhistische Tempel Mahabut in Bangkok hat diese Praxis perfektioniert: SRF-Korrespondentin Karin Wenger hat den Ort besucht und berichtet.
«Ein spiritueller Jahrmarkt»
Wat Mahabut ist eine Art spiritueller Jahrmarkt. So verspricht eine künstliche Kuh jedem, der sie mit ein paar Baht füttert, Gesundheit, Reichtum und ein langes Leben. Buddha-Figuren mit Löchern im Bauch laden zum Spenden ein.
Ein Mann bietet verschiedene Fische, die er vorher gefangen hat, zum Verkauf an. Wer sie im Teich nebenan wieder frei lässt, wird dafür mit Glück, Ansehen oder Geld belohnt, so das Heilsversprechen.
Sie komme oft hierher, um Fische zu kaufen, in der Hoffnung, dass ihr Leben dann besser werde, sagt Sirirat, eine Käuferin. Sie gehe dann immer auch zum Schrein von Yaa Nak, kaufe für diese ein traditionelles, thailändisches Kleid oder stecke ihr etwas Geld in die Bluse und bitte sie, ihr die gewinnbringenden Lottozahlen zu verraten.
Yaa Nak ist nicht etwa eine Wahrsagerin, sondern ein Geist, der in einem Schrein im buddhistischen Tempel verehrt wird. Menschen aus ganz Thailand pilgern zum Schrein von Yaa Nak. Sie spenden Geld, Kleider oder machen andere Tempelgaben und greifen danach in einen Topf mit Eiern, die mit Zahlen beschriftet sind. Nach diesen Zahlen suchen sie dann die Lottoscheine aus, die man ebenfalls im Tempel kaufen kann.
Glücksspiele und Lottoscheine im Buddhismus?
Künstliche Kühe, glücksbringende Fische und Geister, die die richtigen Lottozahlen verraten – was hat das noch mit der Lehre Buddhas zu tun?
Nichts, sagt Phra Kru Vikitkit Jarok, der Vizeabt vom Wat Mahabut: «Buddha lehrte, dass wir uns von allem Weltlichen befreien und uns auf den Weg nach der Wahrheit machen sollen. Nicht Ruhm, Macht oder Besitz sollen wir anstreben, sondern meditieren, Mitgefühl üben, schlechte Taten vermeiden und gute Taten vollbringen. Nur so können wir uns aus dem Rad der Wiedergeburt befreien.»
Die Realität in Thailand sehe jedoch oft anders aus, erklärt Vikitkit Jarok weiter: «Wir haben Familie, Arbeit, müssen die Vorgesetzten bestechen, um einen höheren Posten zu bekommen. Nur die Korrupten werden hier reich.»
Nur die Korrupten werden hier reich.
Aus diesem Grund kämen Menschen in den Tempel, um hier etwas Geld zu spenden: So erhoffe man sich doch noch gutes Karma für das nächste Leben zu sammeln und etwas Frieden zu finden.
Ein bunter Mix an Glaubenssätzen
Thailand sei zwar offiziell ein buddhistisches Land. Eigentlich aber herrsche hier ein grosser Mix aus animistischen, buddhistischen und hinduistischen Glaubenssätzen, erklärt der emeritierte thailändische Professor Vithi Phanichphant, der sich seit Jahrzehnten mit der thailändischen Kultur und Religion beschäftigt.
«Anfangs glaubten die Menschen hier nur an Geister und Naturgötter, dann verbreitete sich der Buddhismus und Hinduismus, die aus Indien kamen, auch in Südostasien. Noch heute sind die meisten Rituale am Königshof hinduistisch», erklärt der Professor.
Wer profitiert von den Spendengaben?
Peter Radcliffe findet das Religionsverständnis in Thailand problematisch. Der gebürtige Engländer kam vor fast zwanzig Jahren nach Thailand. Er liess sich im Kloster Thamkrabok nieder und wurde Mönch.
In Thailand würden Buddhismus und Götter heute dazu missbraucht, die Leute ruhig zu stellen. Der buddhistische Klerus sei dabei das mittlere Management der Herrschenden, die Klöster die Orte, durch die das Geld fliesse. Profitieren täten beide, so die Kritik des buddhistischen Mönchs.
In Thailand werden Buddhismus und Götter dazu missbraucht, die Leute ruhig zu stellen.
Viele Mönche und Klöster würden vom König Geld erhalten: «Diese wiederum sagen den Tempelbesuchern: Versucht nichts in diesem Leben zu ändern, ihr seid, wo ihr seid, wegen eurer Taten im letzten Leben, also beklagt euch nicht über die Ungerechtigkeit, sondern beisst die Zähne zusammen, spendet an die Tempel, damit es euch im nächsten Leben besser geht», so Radcliffe.
Mit Buddhismus hat all das nichts zu tun, aber alle profitieren ein wenig von diesem System: Die Regierung zementiert ihre Macht mit Gottes Segen, die Tempel und Klöster bekommen Geld und Ruhm, und das Volk hofft, mit Spenden die Götter und Geister für sich zu gewinnen und gutes Karma für ein nächstes, besseres Leben zu erkaufen.