Die mexikanische Regierung erhält in der Diskussion um eine Legalisierung von Marihuana Unterstützung von unerwarteter Seite: Der konservative Ex-Präsident Vicente Fox, sonst ein lautstarker Kritiker des amtierenden Präsidenten Andres Manuel Lopez Obrador, ist der wohl bekannteste Vorkämpfer der Marihuana-Legalisierung. Früher hatte er andere Ansichten.
SRF News: Während ihrer Amtszeit von 2000 bis 2006 waren Sie ein strikter Gegner der Drogenlegalisierung. Was hat bei Ihnen zum Umdenken geführt?
Vicente Fox: Die Zeiten und die Umstände haben sich geändert – deshalb habe ich meine Haltung geändert. Als ich vor 20 Jahren Präsident war, war Marihuana in ganz Nordamerika noch strikte verboten, das ist heute anders. Mich hat vor allem die Gewalt der Drogenkartelle dazu gebracht, mich mit dem Thema zu beschäftigen.
Ich bin zum überzeugten Aktivisten für die Legalisierung geworden.
Mit der Legalisierung von Marihuana sollten wir einen ersten Schritt tun, um den Drogenkartellen einen wichtigen Teil ihrer Einnahmen wegzunehmen und sie zu schwächen. So wird aus dem Marihuana-Geschäft eine legale Industrie, die Steuern bezahlt. Deshalb bin ich zum überzeugten Aktivisten für die Legalisierung geworden.
Fachleute bezweifeln, dass sich mit der Legalisierung von Marihuana der Einfluss der Kartelle zurückdrängen lässt. Sie weisen darauf hin, dass die Kartelle beim legalen Alkohol 40 Prozent des Marktes kontrollieren.
Die Kriminalität ist ein komplexes Thema. Ich glaube aber, dass wir bei der Legalisierung sämtlicher Drogen vorwärtsmachen müssen. Die Menschen müssen selber entscheiden können, was sie ihrem Körper zumuten. Natürlich ist die Legalisierung kein Allheilmittel gegen die Drogenkartelle, aber irgendwo müssen wir beginnen. Derzeit machen die Kartelle 40 Prozent ihrer Einnahmen mit Marihuana.
Frühere Kriminelle kümmern sich heute um Investitionen und Geschäftsführung.
Die Legalisierung ist also ein erster Schritt hin zu einem Paradigmenwechsel, wie er in Kanada und einigen US-Bundesstaaten erfolgt ist. Dort sind Menschen, die früher illegal mit Marihuana gehandelt haben, heute Geschäftsleute mit Anzug und Krawatte. Ich treffe sie häufig auf Konferenzen. Diese früheren Kriminellen kümmern sich nun um Investitionen und Geschäftsführung. Und sie verdienen heute ihr Geld lieber mit legalen Geschäften, als ständig um ihr Leben fürchten zu müssen.
Laut Umfragen ist die ländliche Bevölkerung in Mexiko gegen eine vollständige Legalisierung.
Diese Umfragen zeigen aber auch, dass national gesehen 60 Prozent für die Legalisierung von Marihuana sind. Zudem muss dieser Schritt nun gemacht werden, weil das oberste Gericht vor einem Jahr in einem Urteil festgestellt hat, dass jeder und jede in Mexiko das Recht hat, Marihuana zu konsumieren. Demnach verstösst das Cannabisverbot gegen die Verfassung beziehungsweise auf das Recht auf freie Entfaltung.
Der Senat debattiert seit einem Monat über eine Legalisierungsvorlage. Braucht es künftig ein staatliches Monopol beim Marihuana-Handel?
Das wäre ein grosser Fehler. Der Staat sollte lediglich regulieren, Produktion und Handel aber der Privatwirtschaft überlassen. Der Staat soll mit klaren Regeln und guten Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass die Cannabis-Industrie aufblühen kann und nicht in die Hände der Kriminellen zurückfällt.
Das Gespräch führte Matthias Kündig.