49 Todesopfer, 53 Verletzte: Was sich im Schwulen- und Lesbenclub «Pulse» in Orlando über Stunden abgespielt hat, ist eine Tragödie. Die Einzelheiten des Massakers werden erst allmählich deutlich. Ein so folgenschweres Verbrechen eines einzelnen Täters hat es in den USA noch nie gegeben.
Was macht diese Gewalttat so besonders?
Orlando geht nicht nur als schlimmstes «mass shooting» in die Geschichte der USA ein. Das Massaker hat auch ungewöhnlich viele Dimensionen: Es geht möglicherweise um Islamismus, vielleicht auch um internationalen Terrorismus, in jedem Fall um Waffengesetze sowie um die Akzeptanz von Schwulen, Lesben und anderen sexuellen Minderheiten in den USA.
Was genau ist in dem Schwulen-Club passiert, wie konnten so viele Menschen sterben?
Die Polizei hat zur Befreiung der Geiseln des Todesschützen von Orlando mit einem gepanzerten Fahrzeug ein Loch in die Aussenmauer gerammt. Zuerst hätten die Polizisten versucht, ein Loch in die Wand zu sprengen, um Menschen zu befreien. Der Attentäter hatte einen Teil der Geiseln in einen Waschraum gesperrt. Die Explosion sei jedoch zu schwach gewesen, um einen Fluchtweg freizusprengen. Deshalb seien die Polizisten dann mit dem Fahrzeug in die Mauer gefahren. Dies erklärte Polizeichef John Mina in Orlando im US-Bundesstaat Florida. «Wir hatten zu diesem Zeitpunkt den Eindruck, dass sonst der Tod weiterer Menschen zu erwarten gewesen wäre», sagte Mina weiter. Anschliessend hätten sich zahlreiche Besucher des Nachtclubs durch das Loch ins Freie gerettet. Auch der Todesschütze habe das Gebäude durch dieses Loch im Mauerwerk verlassen. Dabei habe er weiter geschossen.
Man muss sich das «Pulse» anders als den Konzertsaal «Bataclan», einen der Pariser Anschlagsorte, nicht als Halle mit einer Bühne vorstellen, sondern als recht verzweigtes Gebäude mit vielen Räumen. Der Täter nahm dort Geiseln. Auch viele Stunden nach der Tat dauerte die Bergung weiterer Opfer an. Es muss ein entsetzliches Chaos gewesen sein.
War der Täter ein Islamist?
Das weiss man nicht. Der Todesschütze soll sich bei der Polizei im Zusammenhang mit den Schüssen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt haben. So habe er kurz vor der Tat den Notruf 911 angerufen und seine Unterstützung für den IS bekundet. Kurz darauf berichtete die dem IS nahestehende Nachrichtenagentur Amaq, die Tat sei von einem IS-Kämpfer ausgeführt worden. Vater und Ex-Frau beschreiben den Mann als nicht sehr religiös, aber psychisch labil und gewalttätig. Er stand auf keiner Terrorliste und war laut FBI nicht aktuell unter Beobachtung.
Wie kam der Täter an die Waffen?
Es heisst, er habe sie wenige Tage vor der Tat völlig legal erworben. Das ist deswegen bemerkenswert, weil er in den vergangenen Jahren bereits zweimal in Berührung mit dem FBI kam. Einmal s ei es auch um einen islamistischen Hintergrund gegangen, aber nur ganz am Rande. Der Erwerb eines Sturmgewehrs, wie es der Täter benutzte, war früher verboten. Heute ist es aber legal. Sein Arbeitgeber, ein Sicherheitsdienstleister, sagt: Das Tragen einer Waffe gehörte bei seinem Angestellten zum Alltag. Der Attentäter arbeitete für die weltgrösste Sicherheitsfirma G4S. Er sei seit 2007 für das Unternehmen tätig gewesen, erklärte ein Sprecher der britischen Firma.
Warum wurde ausgerechnet der Club «Pulse» das Ziel?
Auch das ist noch nicht klar. Der Attentäter fuhr immerhin 170 Kilometer weit mit einem Mietwagen zu seinem Ziel. Was ihn ausgerechnet dorthin trieb, das ist offen.
Wird diese entsetzliche Tat auch Thema im US-Präsidentschaftswahlkampf?
Ja, das ist sie schon jetzt. Als noch überhaupt nicht klar war, was eigentlich genau passiert ist, setzte der Republikaner Donald Trump bereits die ersten Tweets ab, stellte einen islamistischen Zusammenhang her. Um diese Äusserungen entspann sich ein heftiger Streit auf Twitter. Unabhängig davon reagierten auch seine demokratischen Rivalen Hillary Clinton und Bernie Sanders sowie viel politische Prominenz. Später forderte Trump Obamas Rücktritt und Clintons Wahlkampfausstieg, weil beide sich geweigert hätten, die Wörter «radikaler Islam» zu benutzen.