Von den 31 Millionen Einwohnern Venezuelas sind zurzeit etwa vier Millionen auf der Flucht. Seit 2017 haben die Migrationszahlen um 900 Prozent zugenommen, wie neue Erhebungen der Internationalen Organisation für Migration zeigen. Damit ist Venezuela das Land in Südamerika, das am meisten Einwohner verliert.
Grund für den Massen-Exodus ist zum einen die dramatische humanitäre Lage mit Hunger und Versorgungsproblemen auch im medizinischen Bereich. Zugleich ist die Kriminalitätsrate explodiert. Zum anderen haben vielen Menschen jegliche Hoffnung verloren, dass sich die Zustände im Land jemals ändern oder verbessern könnten, wie SRF-Südamerika-Korrespondent Ulrich Achermann berichtet.
Die Wiederwahl Maduros gilt als sicher
Präsident Nicolas Maduro will sich am 20. Mai im Amt bestätigen lassen. Die Wiederwahl gilt als sicher. Viele Venezolaner rechnen mit einem Wahlbetrug, Oppositionsparteien haben zum Wahlboykott aufgerufen. Die USA, aber auch die EU erkennen die Wahl nicht an.
Unter den Flüchtenden sind vorwiegend junge Männer und vereinzelt auch Frauen. Zuerst geht meist ein junger Mann. Sobald die Migranten irgendwo Arbeit gefunden und sich niedergelassen haben, zieht die Familie nach. Ansonsten unterstützen die jungen Männer ihre Eltern und Geschwister vom Ausland aus.
Appell Kolumbiens an internationale Gemeinschaft
Das Hauptauffangbecken ist das Nachbarland Kolumbien, wo nach neuesten Schätzungen bereits rund eine Million Venezolaner leben. Kolumbien stösst angesichts des humanitären Dramas an seine Grenzen. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos appellierte am Rande des Katholikentags im deutschen Münster an die internationale Gemeinschaft. Diese müsse den Druck auf Maduro verstärken, damit dieser internationale Hilfe annehme. Denn die sozialistische Regierung leugne die humanitäre Krise und verschärfe damit die Lage.
Destinationen sind aber auch die spanischsprachigen Länder Ecuador, Chile und Argentinien. Allerdings hat Chile, das sehr viele Venezolaner aufgenommen hat, jetzt die Visumspflicht eingeführt, um den Zustrom etwas zu bremsen.
Keine Ende der Krise in Sicht
Die venezolanische Regierung hat keine Strategie, die Abwanderung zu stoppen. «Man schaut einfach zu und ist insgeheim nicht unglücklich, wenn doch einige Menschen gehen», erklärt Achermann. Die Lebensmittelversorgung stellt für die Regierung ein unüberwindbares Hindernis im kriselnden Erdöl-Land dar, wo das subventionierte Benzin immer noch billiger als Wasser ist. «Wenn einmal klar ist, dass Präsident Maduro am Ruder bleibt, wird die Absetzungsbewegung noch zunehmen», schätzt Achermann.