Darum geht es: Das Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica kommt nicht aus den Schlagzeilen: Heute sagte Christopher Wylie, einst technischer Berater der Firma, vor dem Kulturausschuss des britischen Unterhauses aus. Er beschuldigte die Brexit-Kampagne von 2016, mit gestohlenen Facebook-Daten das Referendumsergebnis beeinflusst zu haben: «Es ist vollkommen rational zu unterstellen, dass das Referendumsergebnis anders ausgesehen hätte, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre.»
Das ist dran am Vorwurf: Martin Alioth, SRF-Korrespondent für Grossbritannien, sagt, Cambridge Analytica sei selbst nicht an der Brexit-Hauptkampagne beteiligt gewesen. «Die Firma warb für eine rivalisierende Kampagne unter Führung von Ukip-Chef Nigel Farage.» Aber ein kanadischer Ableger der Firma – AggregateIQ – habe tatsächlich mit gestohlenen Facebook-Daten für die Hauptkampagne des Brexit gearbeitet. Laut Wylie sollen die beiden Firmen weitgehend identisch sein und die gleichen zweifelhaften Methoden benutzt haben.
Die Mitverantwortung der Politik: Die Brexit-Hauptkampagne «Vote Leave» wurde unter anderem geführt von Boris Johnson und Michael Gove. Viele dieser Politiker besetzen nun prominente Posten im britischen Kabinett. «Bei der Anhörung kam heraus: Die Hauptkampagne hatte eine Ausgabenobergrenze von sieben Millionen Pfund. 40 Prozent dieser Gelder flossen an AggregateIQ für Social-Media-Kampagnen», sagt Alioth. Damit solllten ausgewählte fünf bis sieben Millionen britische Wähler gezielt beeinflusst werden.
Eine «erfolgreiche» Partnerschaft: «Die Trefferquote soll laut einer Behauptung von Wylie bei AggregateIQ ebenso wie bei Cambridge Analytica weit höher als bei der recht bescheidenen Norm anderer Social-Media-Kampagnen gelegen haben», berichtet Alioth. Die Trefferquote von AggregateIQ soll fünf bis sieben Prozent betragen haben: «Damit wurde vielleicht eine halbe Million Stimmbürger auf diesem Weg beeinflusst.» Das Mehr der Brexit-Befürworter belief sich auf rund 600'000 Stimmen: «Hätten sie umgekehrt gestimmt, wäre es nie zum Brexit gekommen», so der SRF-Korrespondent.
Die Folgen für den Brexit-Entscheid: Doch zeitigen die neuerlichen Vorwürfe an das umstrittene Firmennetzwerk auch tatsächlich politische Auswirkungen? Alioth bleibt skeptisch: «Deswegen wird das Brexit-Votum nicht einfach ungültig.» Sollten sich aber Beauftragte der «Vote Leave»-Kampagne rechtswidrig verhalten und das Abstimmungsresultat beeinflusst haben, sei der bislang verbindliche Brexit-Auftrag «politisch etwas wacklig» geworden.
Noch mehr Ungemach für Brexit-Befürworter: Ein weiterer Whistleblower behauptet nun, er könne beweisen, dass die Brexit-Kampagne «Vote leave» zur Umgehung der Ausgaben-Obergrenze 625'000 Pfund an eine Jugendorganisation für den Brexit überwiesen habe: «Diese Organisation war aber eine reine Kreation der Vote-Leave-Kampagne. Das Geld soll direkt an AggregateIQ geflossen sein.» Sollten sich diese Vorwürfe bestätigen, schliesst Alioth, «hätte die Hauptkampagne für den Brexit das Wahlgesetz flagrant gebrochen.»