Worum geht es? In Südkorea sind viele Kinder und Jugendliche einsam – jetzt handelt die Regierung. Sie will jungen Menschen aus ärmeren Familien im Alter von neun bis 24 Jahren jeden Monat umgerechnet rund 450 Franken bezahlen, damit sie mehr unternehmen, hinausgehen und den sozialen Austausch pflegen. Damit soll das bereits bestehende Hilfsprogramm für die sogenannten Hikikomori ausgeweitet werden, denn nicht zuletzt seit der Corona-Pandemie wird ein Anstieg der vereinsamten jungen Menschen in Südkorea festgestellt.
Was sind Hikikomori? Das Phänomen der Hikikomori stammt ursprünglich aus Japan, aber auch in anderen asiatischen Ländern wie eben Südkorea ist es immer stärker verbreitet. Es handelt sich bei den Hikikomori oft um junge Menschen, die sich freiwillig in ihrem Zimmer oder ihrer Wohnung einschliessen und diese nicht mehr verlassen. Sie gehen nicht mehr unter Menschen und beschränken den Kontakt mit der Gesellschaft auf ein Minimum. Den Begriff gibt es seit Ende des letzten Jahrhunderts. In Japan werden laut neusten Schätzungen bis zu 1.4 Millionen Menschen zu den Hikikomori gezählt – mehr als ein Prozent aller Japanerinnen und Japaner.
Wieso die Massnahme jetzt in Südkorea? Viele südkoreanische Kinder und Jugendliche seien einsam, weil sie beispielsweise gemobbt würden in der Schule, weil sie depressiv seien oder unglücklich verliebt, sagt Kathrin Erdmann. Die ARD-Korrespondentin lebt in Tokio und beobachtet von dort aus das Geschehen in Südkorea. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Südkorea vergleichsweise hoch, vielen jungen Menschen ohne Job droht die Vereinsamung. Hilfsorganisationen fordern denn auch schon seit Längerem, sich besser um die Hikikomori zu kümmern – und das auch mittels persönlichen Besuchen von Sozialarbeiterinnen oder Betreuern zu Hause.
Südkorea braucht gut ausgebildete Arbeitskräfte jungen Alters, denn es will auch weiterhin wirtschaftlich erfolgreich sein.
Was bringt die Geldzahlung? «Es ist gut, dass es dieses Programm jetzt gibt», betont Erdmann. Südkorea tue sonst sehr wenig für die soziale Wohlfahrt seiner Bürgerinnen und Bürger. Es geht bei dem Programm auch nicht bloss um Geld. Parallel dazu sind Beratungen für die jungen Menschen geplant, auch im psychologischen Bereich. Hinzu kommen kulturelle Aktivitäten, Weiterbildungsmöglichkeiten oder die Übernahme von Uni-Gebühren durch den Staat. «Das alles ist wichtig, um das Selbstbewusstsein der jungen Menschen zu stärken und ihnen zu zeigen, dass sie sich in die Gesellschaft integrieren können», so Erdmann.
Was beabsichtigt die Regierung? Die südkoreanische Regierung handelt nicht bloss aus humanistischen Motiven – sie verfolgt mit dem neuen Hilfsprogramm, das den Staat ja auch eine Stange Geld kosten wird, handfeste Interessen: «Südkorea braucht gut ausgebildete Arbeitskräfte jungen Alters, denn es will auch weiterhin wirtschaftlich erfolgreich sein», betont die ARD-Korrespondentin. Tatsache ist: Südkorea hat neben Hongkong die niedrigste Geburtenrate der Welt, das Land altert rasant. Deshalb ist es für Südkorea umso wichtiger, dass möglichst alle jungen Menschen in die Gesellschaft und in die Wirtschaft eingebunden werden.