Nach beinahe einem Jahr Regierung aus Cinque Stelle und Lega profitiert von diesem Bündnis nur einer: Matteo Salvini. Seine Lega konnte sich innerhalb eines Jahres von 17 auf über 34 Prozent verdoppeln. Während sich der Koalitionspartner der Cinque Stelle von knapp 33 auf 17 Prozent halbierte. Salvini erntet die Früchte und die Fünf Sterne verblassen. Die Wählerinnen und Wähler der Cinque Stelle blieben vor allem im Süden Italiens, wo die Wahlbeteiligung tief war, zuhause. Und genau in diesem Süden punktete die Lega stark. Auf diese Weise wurde die Lega erstmals zur stärksten politischen Kraft Italiens.
Salvini legt politische Agenda fest
Innenminister und Vizepremier Matteo Salvini hat in diesem knappen Jahr an der Macht die politische Agenda diktiert. Obwohl schon die sozialdemokratische Vorgängerregierung die Zahl der ankommenden Migranten wesentlich reduziert hatte, heftete sich Salvini dieses Verdienst stolz an die eigene Brust. Und mit dem (allerdings kaum finanzierbaren) Versprechen auf massive Steuersenkungen, auf eine sogenannte Flattax, traf er exakt den Nerv der Italienerinnen und Italiener.
Nun wird Salvini versuchen, seinen Triumph bei der Europawahl nicht primär in Brüssel sondern vor allem in Rom in Zählbares umzusetzen: er wolle keine zusätzlichen Posten, aber er wolle inhaltliche Zugeständnisse vom angeschlagenen Koalitionspartner: ein Ja zur Flattax, ein Ja zum Basistunnel Lyon-Turin, ein Ja für zusätzliche Regionalautonomie, ein Ja für nochmals härtere Strafen – auch für Rettungsorganisationen im Mittelmeer.
Luigi Di Maio in der Zwickmühle
Der Chef der Cinque Stelle, Vizepremier Luigi Di Maio, ist nach diesem Absturz an den Urnen, stark angeschlagen wenn nicht gar angezählt. Schwenkt er auf Salvinis Agenda ein, droht ihm der Putsch aus den eigenen Reihen. Weist er Salvinis Forderungen zurück, dürfte der Lega-Chef die Regierungskoalition bald einmal aufkündigen. Salvinis Position ist weitaus bequemer: er könnte, allerdings erst nach Neuwahlen, auch zusammen mit den anderen Rechtsparteien regieren. Die Europawahl hat die Regierung in Rom also deutlich instabiler gemacht.
Im Windschatten dieses Kampfs feiert die Opposition ein eigentliches Comeback. Der sozialdemokratische Partito Democratico legt nach diversen Wahlniederlagen erstmals wieder zu. Mit knapp 23 Prozent ist die Partei, die seit kurzem von Nicola Zingaretti geführt wird, wieder zweitstärkste Kraft im Land. Damit hat Italien wieder einen Oppositionsführer, einen Gegenspieler von Matteo Salvini.