- Zum ersten Mal in der US-Geschichte setzt das Repräsentantenhaus den Präsidenten der Kammer ab – auf Antrag seiner eigenen Partei.
- Eine Mehrheit der Parlamentskammer stimmte auf Antrag der Republikaner dafür, den Vorsitzenden Kevin McCarthy aus dem Amt zu entfernen.
- Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses kommt in der Reihenfolge der Staatsämter der USA an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize.
- Hintergrund ist eine parteiinterne Revolte bei den Republikanern.
Angeführt vom republikanischen Hardliner Matt Gaetz stimmten weitere Republikaner dafür, Kevin McCarthy zu entmachten. Die Demokraten in der Kammer verzichteten darauf, McCarthy zu Hilfe zu kommen und votierten gegen ihn. Die Republikaner haben eigentlich das Sagen im Repräsentantenhaus, aber nur mit knappem Vorsprung. Durch die Zahl der Revoltierenden in den Reihen der Republikaner sowie den Stimmen der Demokraten kam eine knappe Mehrheit gegen McCarthy zustande.
Ein Antrag auf Absetzung des Vorsitzenden ist extrem rar im US-Repräsentantenhaus. In der Geschichte der Kongresskammer wurden bislang nur dreimal solche Anträge vorgebracht. Und nur einmal – im Jahr 1910 – kam es bisher überhaupt zu einer Abstimmung im Plenum der Kammer darüber.
Mit McCarthy wurde somit zum ersten Mal in der fast 250-jährigen Geschichte der USA ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses durch ein Parlamentsvotum von seinem mächtigen Posten abgesetzt.
McCarthy kritisiert Gaetz
Mit der Absetzung McCarthys dürften die Suche nach einem neuen Vorsitzenden und somit auch die Arbeit im Repräsentantenhaus zunächst zum Erliegen kommen. Über McCarthys Nachfolge wird wohl frühestens in der kommenden Woche entschieden.
Das ging laut Agenturmeldungen aus einem Rundmail an die demokratischen Abgeordneten hervor. Mitglieder des US-Repräsentantenhauses bestätigten das gegenüber US-Medien. McCarthy selbst wird nicht noch einmal kandidieren, wie er nach der Abwahl bekannt gab.
Bei einem teils emotionalen, teils angriffslustigen Auftritt sagte McCarthy, für ihn sei der Vorsitzenden-Posten die grösste Ehre gewesen. «Ich habe jede Minute geliebt.» Er sei mit sich im Reinen. «Ich würde rein nichts anders machen», betonte er.
Zugleich kritisierte der Republikaner die parteiinternen Rebellen – insbesondere Gaetz. Diesem sei es keineswegs um Inhalte gegangen, sondern allein um Persönliches – und darum, Medienaufmerksamkeit zu bekommen, beklagte McCarthy.
Parteiinterne Kämpfe haben weitreichende Folgen
Das parlamentarische Chaos fällt mitten in eine Zeit, in der der Kongress unter anderem einen Bundeshaushalt verabschieden muss, da der Übergangshaushalt Mitte November ausläuft. Ist bis zu der Frist kein neues Budget verabschiedet, steuern die USA einmal mehr auf einen vorübergehenden Stillstand der Regierungsgeschäfte zu, einen «Shutdown».
Das US-Parlament hat ausserdem über neue Hilfen für die Ukraine zu entscheiden. In dem am Wochenende verabschiedeten Übergangshaushalt sind keine weiteren Hilfen für das von Russland angegriffene Land vorgesehen. Das heisst nicht, dass die USA die Ukraine von jetzt auf gleich nicht mehr unterstützen. Allerdings geht das bisher genehmigte Geld zur Neige, neue Mittel müssen her. Die parteiinternen Kämpfe bei den US-Republikanern haben daher auch internationale Auswirkungen.