Kevin McCarthy habe eine gewinnende Art, heisst es. Er wisse Beziehungen zu pflegen. McCarthy ist telegen, stets herausgeputzt. Der 57-Jährige entstammt einer Mittelstandsfamilie in Kalifornien.
Ronald Reagan ist noch Präsident, als er in die Politik einsteigt. 2006 wird McCarthy ins Repräsentantenhaus gewählt. Er erlebt, wie sich Reagans Partei verändert: Aus der sogenannten Tea-Party-Bewegung wächst ein rechter, populistischer Flügel, später gerät die ganze Partei in den Bann von Donald Trump.
Seit 2019 Fraktionschef
Doch McCarthy weiss sich zu halten und steigt rasch ins republikanische Führungsteam auf. Seit 2019 führt er die republikanische Fraktion an. Wandelbar sei er, anpassungsfähig. Seine Kritiker sagen: eine Fahne im Wind, ohne Rückgrat, ohne eigene Überzeugungen. Er sei bloss getrieben von der Ambition, Speaker zu werden.
Es ist unklar, ob McCarthy eigene, politische oder ideologische Prioritäten hat.
Die Politologin Sarah Binder, eine der besten Kennerinnen des US-Kongresses, sagt, McCarthy gelte als gut darin, republikanische Kandidaten zu rekrutieren und Geld für ihren Wahlkampf aufzutreiben. «Aber es ist unklar, ob er eigene, politische oder ideologische Prioritäten hat.»
Ein Verbündeter Donald Trumps
Der neue Speaker des Repräsentantenhauses wird zum wichtigen Verbündeten von Ex-Präsident Donald Trump. Dieser nennt ihn «my Kevin». Als Trump nach seiner Wahlniederlage 2020 von Wahlbetrug spricht, beeilt sich McCarthy, auf dem rechten Nachrichtensender Fox News das Gleiche zu tun.
Die Behauptung ist haltlos, und Trump scheitert mit der Mär von der gestohlenen Wahl x-fach vor Gericht. Aber er gibt nicht auf: Am 6. Januar 2021 stürmt ein Mob aus Trump-Anhängern das Kapitol. McCarthy, selbst im Gebäude, bittet Trump um Hilfe. Vergeblich.
Die beiden hätten sich am Telefon angeschrien, heisst es später. McCarthy scheint bereit, mit Trump zu brechen. Der Präsident trage Verantwortung dafür, was im Kapitol passiert sei, erklärt McCarthy im Repräsentantenhaus: «Er hätte sofort den Mob verurteilen müssen, als er sah, was vor sich ging.»
Doch McCarthy merkt, woher der Wind weht: Ein Grossteil der republikanischen Basis glaubt an die Lüge der gestohlenen Wahl, ebenso der rechte, Trump-hörige Parteiflügel. McCarthy ändert seinen Kurs und stimmt gegen Trumps Amtsenthebung. Er wendet sich gegen die Gründung einer überparteilichen Kommission, die den 6. Januar untersuchen soll.
Bussgang nach Mar-a-Lago
In Florida besucht er Trump in Mar-a-Lago. Es wird zu einer Art Bussgang: Lachend posiert McCarthy auf einem Foto mit Trump und machte den ehemaligen Präsidenten wieder salonfähig. McCarthy habe dem ganz rechten Trump-Flügel in seiner Fraktion nie die Stirn geboten, sagt Politologin Binder, die an der George Washington University lehrt.
McCarthy ist in einer schwachen Position.
«Solange die Republikaner in der Minderheit waren, war das nicht so ein grosses Problem. Aber McCarthy führt jetzt eine Mehrheit an.» Und wenn er etwas zustande bringen wolle, könne er nicht ständig dem ganz rechten Flügel nachgeben. «McCarthy ist in einer schwachen Position», so Binders Fazit.