Das ist passiert: Nach fünf weiteren ergebnislosen Wahlgängen bei der Abstimmung über den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses – den Speaker – stimmte die Parlamentskammer dafür, die Sitzung auf heute Mittag (Ortszeit/18 Uhr MEZ) zu vertagen. Der republikanische Kandidat Kevin McCarthy ist wegen einer parteiinternen Rebellion in den vergangenen Tagen bereits in insgesamt elf Wahlgängen durchgefallen. Das Wahldrama lähmt den Kongress und ist für den 57-Jährigen eine historische Blamage.
Darum geht es: Nach den Parlamentswahlen im November war der Kongress am Dienstag erstmals in neuer Konstellation zur konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Die Republikaner haben eine knappe Mehrheit und übernehmen die Kontrolle im Repräsentantenhaus. Der Fraktionschef der Partei, Kevin McCarthy, will sich zum Vorsitzenden wählen lassen. Der Posten des Speakers, den in den vergangenen Jahren die Demokratin Nancy Pelosi besetzte, steht in der staatlichen Rangfolge der USA an dritter Stelle – nach dem Präsidenten und dessen Vize.
Das ist das Problem: Die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus ist wie die gesamte Partei zerrissen zwischen rechtsgerichteten Anhängern des Ex-Präsidenten Donald Trump und moderateren Parteimitgliedern. Angesichts der nur knappen Mehrheit müsste McCarthy die verschiedenen Flügel hinter sich vereinen und selbst Mitglieder vom äussersten Rand seiner Fraktion für sich gewinnen. Doch bereits vor dem ersten Wahlgang am Dienstag hatten sich mehrere Republikaner gegenüber McCarthy kritisch geäussert.
So wurde bisher gewählt: In bisher elf Wahlgängen hat McCarthy die erforderliche Mehrheit verfehlt, weil ihm diverse Parteikollegen die Unterstützung verweigerten. Gerade die Ultrakonservativen unter den Republikanern lehnen McCarthy ab, da er ihnen zu gemässigt scheint. Um seine Wahl zu verhindern, bringen sie Runde für Runde weitere Kandidaten ins Spiel.
Ist eine Lösung in Sicht? Bislang nicht, trotz intensiver Verhandlungen hinter den Kulissen. Vor den Wahlgängen in der Nacht auf Donnerstag war McCarthy Berichten zufolge seinen Parteigegnern vor der Abstimmung einen weiteren grossen Schritt entgegenkommen, um sich deren Stimmen zu sichern und die Blockade zu durchbrechen. Der 57-Jährige soll sogar eingewilligt haben, die Hürden für die Abberufung des Speakers im Repräsentantenhaus noch weiter zu senken. Das könnte als ständiges Druckmittel gegen ihn verwendet werden – doch selbst trotz dieses Entgegenkommens war bis zuletzt keine Mehrheit für ihn gesichert.
So sind die Sitzverhältnisse: Bei der Kongresswahl Anfang November waren alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus sowie 35 der 100 Sitze im Senat neu vergeben worden. Bidens Demokraten hatten bei der Wahl deutlich stärker abgeschnitten als erwartet. Eine vorausgesagte Erfolgswelle für die Republikaner blieb aus. Ihnen gelang es nicht, die Kontrolle im Senat zu erobern, und im Repräsentantenhaus erreichten sie lediglich eine knappe Mehrheit von 222 Sitzen. 212 Sitze stellen die Demokraten. Ein Sitz ist noch offen, nachdem ein Abgeordneter kurz nach der Wahl verstorben ist. Für die Wahl zum Vorsitzenden der Kammer ist eine einfache Mehrheit nötig.