Noch wissen wir nicht, wie die Mehrheiten im US-Kongress nach diesen Zwischenwahlen genau aussehen werden. Zu viele Stimmen in entscheidenden Bundesstaaten sind noch nicht ausgezählt.
Damit wissen wir auch nicht, ob und in welchem Ausmass Präsident Biden und seine Demokraten in den kommenden zwei Jahren regierungsfähig sein werden. Doch was klar ist: Die von den Republikanern erhoffte «rote Welle» ist ausgeblieben. Nicht zuletzt wegen einer Person – Donald Trump.
«Dobbs, Deniers und Donald»
«Dobbs, Deniers and Donald lift Democrats», schlagzeilte der (sehr demokratisch gefärbte) Fernsehsender MSNBC an diesem Nachwahlmorgen in unnachahmlicher amerikanischer Prägnanz und – zugegeben – teilweise unzulässiger Verkürzung. Aber es ist offensichtlich: Die Demokraten haben profitiert vom Urteil des Obersten Gerichtshofes, das bundesweite Recht auf Abtreibung zu kippen (Dobbs).
Sie haben profitiert von den sogenannten Wahlleugnern, die eine grosse Zahl der republikanischen Kandidatinnen und Kandidaten gestellt haben und die bis heute Joe Biden als illegitimen Präsidenten betrachten (Deniers). Und sie haben profitiert von Donald Trump, der gegen etwelche Widerstände auch des republikanischen Establishments viele Kandidatinnen und Kandidaten durchgedrückt hatte, die alle nur ein Merkmal einte: Dass sie seine längst widerlegte Lüge von der gestohlenen Wahl 2020 weitertragen.
DeSantis’ Glanzresultat
Donald Trump wird seinem Naturell entsprechend vor allem die Siege «seiner» Kandidatinnen und Kandidaten hervorheben. Doch das kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass es gerade die von ihm unterstützten Wahlleugner waren, die bei diesen Wahlen Sitze nicht gewonnen haben, die für die Republikaner eigentlich gewinnbar schienen, oder gar Sitze verloren haben, deren sie sich sicher waren.
Das wird Trumps Machtstellung innerhalb der republikanischen Partei zweifelsohne schwächen. Zumal schon heute viele im republikanischen Establishment zwar fest an Trumps «Make America Great Again» und seine «America First»-Politik glauben, aber lieber mit anderen Kandidaten weitermachen würden als mit dem Wahlverlierer Trump. Und vor allem, weil sich mit dem erdrutschartigen Wahlsieg des Gouverneurs von Florida, Ron DeSantis, eine für sie attraktive Alternative in dieser Nacht noch attraktiver gemacht hat.
Die gespaltenen Staaten – und Parteien von Amerika
Der triumphale Sieg DeSantis’ in Florida wird den Machtkampf innerhalb der republikanischen Partei zuspitzen. Donald Trump hatte schon in den letzten Tagen vor dieser Wahlnacht die Messer zu wetzen begonnen. Denn Trump weiss, wie gefährlich ihm der Gouverneur des Sunstate werden kann.
Dieser Machtkampf wird die Spaltung innerhalb der republikanischen Partei zuspitzen. So wie sich auch die Spaltung der Vereinigten Staaten von Amerika generell an diesem Wahltag verfestigt hat.