Die Parallelen zur Affäre Fillon sind augenfällig: Für den «Canard» recherchiert hatte damals Christoph Nobili. Später erhielt er Informationen zugespielt, dass es auch in seiner eigenen Redaktion einen ähnlichen Fall gebe.
Nobili recherchierte und war schockiert, wie er im Interview mit dem Radiosender «France Inter» sagt: «Über 25 Jahre lang hat der «Canard» die Frau eines ehemaligen Starkarikaturisten mit 4000 – 6000 Euro entlöhnt, für eine rein fiktive Arbeit, gedeckt von der Redaktionsleitung. Und dies in einer Zeitung, die anderen Leuten gerne moralische Lektionen erteile. – Dies ist für mich unerträglich»
Justiz leitete Untersuchung ein
Die Chefredaktion mag die Hartnäckigkeit ihres Mitarbeiters nicht. Darauf zeigt Journalist Nobili die Chefredaktion bei der Justiz an, die eine Untersuchung einleitet. Der «Canard» veröffentlicht ein Dementi: Die Frau habe für ihren Mann eine Presseschau zusammengestellt. Eine Erklärung, die in der Branche sowohl Befremden als auch Erheiterung auslöste.
Hervé Favre war jahrelang Paris-Korrespondent der Regionalzeitung «La Voix du Nord». In seinem Pariser Büro bekam er den «Canard» jeweils schon am Vorabend geliefert, damit er ihn lesen konnte, bevor er am anderen Morgen im Kiosk auflag.
Der Canard ist gut verankert
Für alle, die das politische Leben in Frankreich verfolgen, sei der «Canard» Pflichtlektüre, so Favre. Vor allem die zweite Seite mit Bonmots von Politikern, die eigentlich nicht für eine Publikation gedacht seien.
Der «Canard» profitiere davon, dass er auch in anderen Redaktionen ein dichtes Netz von inoffiziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe. Die engen Verbindungen zu anderen Redaktionen mögen auch ein Grund dafür sein, dass französische Medien Geschichten des «Canard» häufig aufgreifen und verstärken.
Der «Canard» hat zur Affäre im eigenen Haus keine fetten Schlagzeilen gemacht. Und die nationale Konkurrenz hat sie bisher eher diskret aufgegriffen.
Aber seit dem Fall Fillon 2017 ist dem «Canard» auch kein wesentlicher Wurf mehr gelungen. Die Auflage der Zeitung sinkt – von damals 400'000 Exemplaren auf inzwischen unter 300'000.
Zwei alte Chefredaktoren
Die Affäre um die fiktive Anstellung beim Satireblatt zeigt auch, dass die beiden Chefredaktoren die Redaktion als Patrons führen. Beide sind zwischen 75- und 80-jährig und verstehen in eigener Sache nur wenig Spass.
Den aufmüpfigen Nestbeschmutzer Christophe Nobili wollten sie kurzerhand entlassen, hatten dabei allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Nobili hatte 2020 beim «Canard» die erste Gewerkschaftssektion gegründet.
Nun steht er als führendes Mitglied der Betriebsgewerkschaft unter Kündigungsschutz. Das hat das Arbeitsgericht entschieden.