Fehmarn, die kleine Insel in der Ostsee, ist eines der ruhigsten Fleckchen Deutschlands. Einsame Strände, Landwirtschaft und beschaulicher Tourismus prägen das Bild. Bis jetzt. Bald fahren hier die Bagger auf und graben die Zufahrt für einen Tunnel quer durchs Meer nach Dänemark.
Heute schippert hier die Fähre jede halbe Stunde hin und her, 45 Minuten dauert die Überfahrt. In Zukunft soll die Querung des Fehmarnbelt durch einen neuen Auto- und Eisenbahntunnel noch knapp zehn Minuten dauern, 18 Kilometer mitten durchs Meer.
Ein Traum geht in Erfüllung
Für Dänemark geht ein Jahrzehnte alter Traum in Erfüllung: Anfang November erlaubte das oberste deutsche Verwaltungsgericht den Tunnel und wies alle Klagen von Anwohnern und Umweltschützern ab. Die Bauarbeiten sollen noch diesen Winter beginnen.
Der dänische Staat finanziert das Projekt und bringt so Jobs in die Region. Längerfristig sollen die Wirtschaftsräume Kopenhagen und Hamburg zusammenwachsen: Transportwege werden kürzer und der Arbeitsmarkt durchlässiger – Dänemark rückt deutlich näher ans europäische Festland.
«Dänemark ist scharf auf diesen Tunnel – Deutschland weniger»
Das Königreich hat mit solchen Infrastrukturprojekten gute Erfahrungen gemacht, beispielsweise der Öresund-Brücke zwischen Kopenhagen und dem schwedischen Malmö. «Dänemark ist scharf auf diesen Tunnel – Deutschland weniger», so fasst es Professor Christian Böttger zusammen.
Böttger unterrichtet und forscht an der HTW in Berlin und ist einer der gefragtesten Infrastruktur-Experten Deutschlands. Er hält es für möglich, dass der Tunnel zum Nadelöhr werden könnte, weil auf deutscher Seite schlicht der Platz fehle für den zusätzlichen Verkehr.
Zwar hat sich Deutschland vertraglich verpflichtet, die sogenannte «Hinterlandanbindung» auf deutscher Seite zu übernehmen, also die Zufahrtsstrecken zum Tunnel auszubauen. Doch mit solchen Verpflichtungen ist das so eine Sache.
Deutschland hinkt 25 Jahre hinterher
Eine ähnliche Zusage hatte Deutschland der Schweiz gegeben für die Oberrhein-Strecke zwischen Basel und Karlsruhe, ein weiteres Nadelöhr auf der europäischen Transit-Route. Diesen September eröffnete die Schweiz mit dem Ceneri-Tunnel den letzten Abschnitt der NEAT – und erfüllte damit ihren Teil der Abmachung. Deutschland hinkt mit dem Ausbau am Oberrhein etwa 25 Jahre hinterher.
Das habe mehrere Gründe, erklärt Infrastruktur-Experte Christian Böttger. Zum einen sei das deutsche Baurecht kompliziert und räume der Bevölkerung umfassende Einsprachen ein. Vor allem aber fehle es am Geld. Zurzeit seien in Deutschland Bahn-Infrastrukturprojekte im Umfang von etwa 100 Milliarden Euro ausstehend. Das jährliche Budget dafür betrage aber nur rund 1.5 Milliarden. Selbst wenn auf das Doppelte aufgestockt würde, bliebe ein krasses Missverhältnis.
Mit Widerstand ist zu rechnen
Die Zufahrten zum Fehmarnbelt-Tunnel dürften für Deutschland nicht zuoberst auf der Prioritätenliste stehen. Kommt hinzu, dass diese durch touristisch geprägtes Gebiet führen und dort mit viel Widerstand zu rechnen ist.
Die Dänen wollen trotzdem – wie die Schweizer – in Vorleistung gehen. Die Produktion der Beton-Fertigteile hat bereits begonnen. Gut sieben Milliarden Euro wird sich Dänemark den Tunnel voraussichtlich kosten lassen. Der Druck auf Deutschland steigt. Denn ohne Anschluss ist der teuerste Tunnel nicht viel wert.