In China sind die Zahl der Neuansteckungen mit dem Coronavirus auf den höchsten Stand seit drei Monaten geklettert. In China wurden am Donnerstag 100 neue Fälle gemeldet. Trotzdem müsse man sehen: Im Vergleich mit anderen Ländern seien die Zahlen immer noch sehr tief, sagt SRF-Korrespondent Martin Aldrovandi.
SRF News: Trotz strenger Vorsichtsmassnahmen gibt es wieder grössere Virusausbrüche. Ist ganz China davon betroffen?
Martin Aldrovandi: Am meisten neue Fälle werden aus Ürümqi in der Nordwestregion von Xinjiang gemeldet. Die Region ist seit Längerem im Lockdown, die Menschen müssen dort zu Hause bleiben. Auch in Dalian, im Nordosten, haben sich die Ansteckungen über die ganze Stadt verbreitet. Seit einigen Wochen steigen auch in Hongkong die Infektionszahlen wieder an, nachdem es längere Zeit fast keine Fälle gegeben hatte.
Was sind die Gründe für den erneuten Anstieg von Infektionen in vielen Regionen Chinas?
In den meisten Fällen handelt es sich um lokale Hotspots. Und: Für so ein riesiges Land wie China sind die Ansteckungszahlen von derzeit rund 500 neuen Fällen pro Tag immer noch sehr tief – wenn man als Vergleich etwa die zuletzt fast 200 neu gemeldeten Ansteckungen in der Schweiz nimmt. Trotzdem zeigt sich in China ein Trend; die Zahlen steigen wieder an.
In manchen Städten – etwas Schanghai – geht das Leben derzeit normal weiter.
In manchen chinesischen Städten allerdings geht das Leben inzwischen auch wieder wie gewohnt weiter: So berichten Bekannte aus Schanghai, dass Läden und Restaurants voller Menschen seien, die meist keine Gesichtsmasken trügen. Man merke dort von der Pandemie derzeit nichts mehr.
Seit einiger Zeit sind in China Inlandflüge wieder erlaubt. Hat das etwas mit den steigenden Fallzahlen zu tun?
In diesem Bereich wird sehr genau hingeschaut und getestet. Wenn jemand aus einem stärker betroffenen Ort in einen weniger stark betroffenen Ort einreisen will, gibt es jeweils strikte örtliche Bestimmungen, die auch laufend angepasst werden. Auch ist es oft nicht möglich, aus einem Hotspot-Gebiet auszureisen, oder von dort in ein anderes Gebiet einzureisen.
Man versucht intensiv, dass sich Hotspots nicht ausbreiten.
Die chinesischen Behörden verfolgen beim Coronavirus praktisch eine Null-Toleranz-Politik. Wirkt das denn nicht?
Das wirkt schon, denn andernfalls gäbe es unter den 1.3 Milliarden Chinesen sicher viel mehr Infektionsfälle. Es wird grossflächig getestet, schon früh in der Pandemie wurden Smartphone-Apps eingesetzt, um die Pandemie zu beobachten und möglicherweise Infizierte zu warnen. Zu hundert Prozent lassen sich lokale Ausbrüche aber nicht verhindern. Doch man versucht intensiv, dass sich solche Hotspots nicht ausbreiten.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version des Interviews hiess es, dass in Peking am Donnerstag 100 neue Fälle gemeldet wurden. Das stimmt nicht. Es sind 100 Fälle in ganz China. Wir bitten um Entschuldigung.