Ein Fernsehinterview dominiert in den USA die Schlagzeilen. Ex-FBI-Chef James Comey hat mit dem Sender ABC News gesprochen, das Interview wurde am Sonntagabend ausgestrahlt, zur besten Sendezeit. Es ist Werbung für Comeys Buch, aber auch eine Abrechnung mit US-Präsident Donald Trump. Er halte Trump zwar für überdurchschnittlich intelligent. Aber er sei, so Comey, dennoch ungeeignet für das Präsidentenamt – aus moralischen Gründen. Fette Schlagzeilen also, aber inhaltlich nichts Neues, sagt Christian Lammert.
SRF News: Wie glaubwürdig ist das Enthüllungsbuch von James Comey?
Christian Lammert: In dem Interview und auch in dem Buch gibt es nichts, was nicht vorher schon bekannt war. Comey musste letztes Jahr mehrere Stunden lang vor dem Kongress aussagen. Dort hat er eigentlich schon genau das erzählt, was nun in dem Interview bei ABC zur Sprache kam – einfach in kondensierter Form.
Es hilft Trump wahrscheinlich nicht, dass er auf Twitter fast jeden Morgen explodiert und zurückschlägt.
Ein ehemaliger FBI-Chef rechnet mit dem Präsidenten ab, wirft im mafiöses Verhalten vor, bezeichnet ihn als Lügner, moralisch nicht fähig, das Land zu führen, und er spricht über Videos mit Prostituierten. Das ist einmalig in der Geschichte der USA. Aber seit Trump im Amt ist, hat man sich an solche Nachrichten gewöhnt. Deswegen ist dieses Interview jetzt wenig spektakulär.
Kann Comeys Buch dem US-Präsidenten trotzdem gefährlich werden?
Ja, denn Trump ist momentan etwas in der Defensive. Gerade mit seinen Angriffen auf Syrien verliert er an Unterstützung an seiner eigenen Basis. Wenn nun die ganzen Vorwürfe noch einmal auf den Tisch kommen, kann das insgesamt dazu führen, dass Trump noch mehr in die Defensive gerät. Dabei hilft wahrscheinlich auch nicht, dass er auf Twitter fast jeden Morgen explodiert und zurückschlägt, weil er mit dieser Reaktion Comey noch mehr Glaubwürdigkeit gibt. Strategisch wäre es für ihn sinnvoller, wenn er sagen würde: «Das ist nichts Neues, was soll das alles, ich höre mir das nicht an.»
Wie glaubwürdig ist Ex-FBI-Chef Comey?
Er hat eine Wandlung vom Saulus zum Paulus vollzogen. Er war im Wahlkampf wegen seiner Untersuchung von Hillary Clintons E-Mails sehr umstritten.
Comey wurde erst zum Helden, als er gefeuert wurde.
Man fragte sich, ob er sich damit profilieren wolle. Er wurde erst zum Helden, als er von Trump gefeuert wurde. Seine Anhörung vor dem Kongress war sehr professionell, dabei hatte er sich neutral präsentiert. Jetzt verliert er etwas an Glaubwürdigkeit. Das Ganze spitzt sich zu einem Duell mit Trump zu – zwei Alphatiere, die um Deutungshoheit kämpfen. Und er muss sich auch immer wieder die Frage stellen lassen, ob er das nur mache, damit sich sein Buch verkaufe. Neue Informationen kann er gar nicht präsentieren. Es wäre für ihn vielleicht sinnvoller, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten, wenn er wirklich meint, dass dieser Präsident etwas Illegales getan hat.
Auch andere Personen, die von Trump gefeuert wurden, schreiben an Enthüllungsbüchern. Ist das ein neues Geschäftsmodell?
Genau. Da zeigt sich auch, was wir auch in anderen Teilen der Politik in den letzten 20 Jahren gesehen haben; eine reine Vermarktlichung verschiedener Mechanismen. Es geht eigentlich nicht mehr darum, irgendwelche Sachverhalte zu klären, oder dazu beizutragen, ein Bild davon zu kriegen, was eine Administration leistet. Man rechnet ab und versucht damit Geld zu verdienen. Und die Medien springen auf diese Themen, weil diese sich kurzfristig verkaufen lassen. Da verkommt die politische Kultur und der politische Diskurs in den USA.
Das Gespräch führte Miriam Knecht.