Auf der Suche nach wirksamen Massnahmen gegen die anhaltende Migration aus Afrika, wird derzeit in Europa und auch in der Schweiz vermehrt über die Errichtung von Auffanglagern in Nordafrika oder die Umsiedlung in Drittstaaten diskutiert. Als Vorbild wird dabei oft Israel genannt, das Asylsuchende umsiedelt. Eritreer etwa werden in umliegende Nachbarländer wie Uganda und Ruanda gebracht. Doch dieses System funktioniere in keiner Weise, sagt der Journalist Andrew Green.
SRF News: Israel schafft Migranten aus Afrika zurück in ihre Heimat- oder umliegende Nachbarländer. Welche Versprechen macht Israel diesen Menschen?
Andrew Green: Israel erzählt den Asylsuchenden aus Sudan und Eritrea, dass sie in ein Drittland geschickt werden könnten und dort Asyl und eine Arbeitserlaubnis erhalten. Dass es sich um Ruanda oder Uganda handelt, wird nicht gesagt. Sie erhalten neben dem einfachen Flugticket in diese Länder auch 3500 Dollar Starthilfe.
Haben die Leute eine andere Option? Können sie auch in Israel bleiben?
Israel macht es den Asylsuchenden im Land wirklich schwer. Tausende werden in Haftanstalten in der Wüste geschickt, wo sie ein Jahr und länger festgehalten werden. Sie müssen ihre Arbeit, ihre Wohnung und ihr Hab und Gut aufgeben. Jene, die nicht in diese Anstalten geschickt werden, müssen ihren Visumsantrag immer wieder erneuern, was sehr schwierig und zeitaufwendig ist. Es gibt Hindernisse für sie bei der Arbeits- und Wohnungssuche. Theoretisch dürfen sie im Land bleiben, aber unter schrecklich schwierigen Lebensbedingungen.
Wie funktionieren diese Umsiedlungen nach Ruanda und Uganda in der Wirklichkeit?
In beiden Fällen geschieht dasselbe: Die Leute steigen in Tel Aviv mit ein paar Papieren der israelischen Behörden in ein Flugzeug. Auf dem Flughafen in Ruanda oder Uganda treffen sie auf jemanden, der sich als Einwanderungsbeamter vorstellt und ihnen die Papiere abnimmt. In Ruanda werden sie dann in ein gesichertes Haus gebracht, in Uganda in ein Hotel. Dort wird dann viel Druck auf sie ausgeübt, dass sie das Land illegal wieder verlassen. Von Ruanda sollen sie nach Uganda gehen, von Uganda nach Südsudan und manchmal sogar nach Sudan. Das hat sich in den mehr als zwölf Interviews mit Männern gezeigt, die das erlebt haben. Keines der Versprechen, die Israel den Asylsuchenden abgibt, wird nach der Ankunft in den ostafrikanischen Ländern gehalten.
Viele sind verloren, haben keine Dokumente und befinden sich an gefährlichen Orten – wie Südsudan, wo Krieg herrscht.
Was geschieht als nächstes mit den nach Uganda abgeschobenen Menschen?
Sobald sie eine Grenze überquert haben, sind sie sozusagen niemandes Problem mehr. Die Regierungen Ruandas und Ugandas haben zwar ohnehin nie gesagt, dass sie bei diesem Programm mitmachen würden. Doch wenn die Asylsuchenden die Grenze überquert haben, sind sie erst recht nicht mehr verantwortlich. Israel behauptet, die in diese Länder ausgeschafften Menschen seien sicher. Aber viele sind verloren, haben keine Dokumente und befinden sich an gefährlichen Orten. In Südsudan zum Beispiel tobt derzeit ein Krieg. Die Lage dieser Menschen ist wirklich tückisch.
Dann haben sie wohl auch keine Aussicht auf Arbeit?
Nein, sie erhalten keine Arbeitserlaubnis. In Uganda traf ich einige wenige, die schliesslich als Flüchtlinge anerkannt wurden. Dies aber nur, weil sie die Behörden anlogen und nicht zugaben, dass sie aus Israel kamen. Meist aber tun die Behörden in Uganda und Ruanda so, als ob sie die Asylsuchenden aus Israel gar nicht bemerkt hätten. Sie versuchen, sie aus dem Land zu vertreiben.
Die Sache ist völlig undurchsichtig und es ist unmöglich in Erfahrung zu bringen, wer profitiert.
Weiss die israelische Regierung, was da geschieht?
Die israelische Regierung muss inzwischen auf dem Laufenden sein. Ich habe sie mit den Ergebnissen meiner Recherche konfrontiert. NGOs und Menschenrechtsorganisationen haben es auch getan. Die Regierung behauptet zwar, dass sie Kontrolleure nach Uganda und Ruanda sende und dass die Versprechen gegenüber den Asylsuchenden eingehalten würden. Aber kein Beamter in Uganda, Ruanda oder sogar Israel konnte mir eine Person nennen, die dieses Verfahren durchlaufen hätte und am Ende als Flüchtling anerkannt und mit einer Arbeitsbewilligung ausgestattet worden wäre.
Haben Sie Leute getroffen, die von diesen Umsiedlungen profitieren?
Ich traf einen einzigen Mann in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Er ist sudanesischer Flüchtling und überzeugt jetzt andere Flüchtlinge, Uganda in Richtung Südsudan oder Sudan zu verlassen. Was er dafür bekommt, abgesehen von einer langen Aufenthaltsbewilligung, sagte er nicht. Es ist auch nicht klar, was Israel den Regierungen Ruandas und Ugandas dafür gibt, dass sie bei diesem Verfahren mitmachen. Alle Papiere und Dokumente sind geheim – auf Wunsch der ostafrikanischen Länder, heisst es in Israel. Die Sache ist also völlig undurchsichtig und es ist unmöglich in Erfahrung zu bringen, wer profitiert und warum diese Drittländer mitmachen.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.