Worum geht es? Am vergangenen Freitag kursierten Meldungen, dass am Grenzfluss Evros zwischen der Türkei und Griechenland 92 unbekleidete Migranten aufgegriffen worden seien. Heute bestätigte die EU-Grenzschutzagentur Frontex, dass dieser Vorfall tatsächlich stattgefunden hat.
Wer ist dafür verantwortlich? Die Türkei und Griechenland schieben gegenseitig die Schuld zu. Wer die Wahrheit sagt, sei schwierig zu beantworten, sagt der in Istanbul wohnhafte Journalist Thomas Seibert: «Beide Staaten haben in der Vergangenheit schon gezeigt, dass sie auf dem Rücken der Flüchtlinge Politik zu machen bereit sind.» Es habe schon illegale Pushbacks von den Griechen in die Türkei gegeben, die dokumentiert seien. Aber auch die Türkei habe vor zwei Jahren zum Beispiel versucht, tausende von Flüchtlingen illegal nach Griechenland hineinzudrücken. Thomas Seibert: «Es ist zurzeit leider unmöglich zu sagen, wer diese Menschen misshandelt hat.»
Was sagt Griechenland? Die Regierung in Athen verurteilte am Sonntag erneut den Vorfall am Grenzfluss Evros. Es sei ein «menschenverachtendes Bild» gewesen, es handele sich um «barbarisches Verhalten, das ans Mittelalter erinnert», sagte Bürgerschutzminister Takis Theodorikakos im Sender Skai.
Was sagt die Türkei? Der türkische Vize-Innenminister Ismail Catakli twitterte anschliessend, die Nachricht sei erfunden. «Verbringt eure Zeit mit der Einhaltung der Menschenrechte, nicht mit Manipulationen und Unehrlichkeit!», schrieb Catakli am Samstagabend. Weil Griechenland keine einzige Menschenrechtsverletzung der Türkei finden könne, versuche man nun, die eigene Grausamkeit der Türkei unterzuschieben.
Wie glaubhaft ist die Aussage der Frontex? Die Frontex wäre dazu da, den Umgang mit den Migrierenden zu überwachen. «Sie ist allerdings selbst ins Gerede gekommen, weil sie bei illegalen Pushbacks der Griechen einfach zugeschaut hat», sagt Seibert. Dadurch habe der Ruf der Behörde sehr gelitten.
Beiden Seiten versuchen, so einen Vorfall wie am Evros für sich zu auszuschlachten.
Wem nützt diese Negativschlagzeile? Es gebe in beiden Ländern Politiker, die derartige Meldungen nutzen, um auf den Nachbarn einzuschlagen, sagt der Journalist. In beiden Ländern finden bald Wahlen statt. «Die Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland wachsen wegen umstrittener Hoheitsansprüchen in der Ägäis ohnehin. Beiden Seiten versuchen, so einen Vorfall wie am Evros für sich zu auszuschlachten.»