Willkommenskultur ade. Die offene Einwanderungspolitik, die lange zum Selbstbild Schwedens gehörte, ist einem abweisenden Image gewichen – und das gewollt. Mit immer schärferen Massnahmen hat sich das Land unattraktiv gemacht für Flüchtende. Inzwischen ist die Zuwanderung rückläufig.
«Es ist ein System, das ein deutliches Signal senden will», sagt Migrationsexperte Bernd Parusel vom Sieps-Institut in Stockholm. «Schweden soll nicht mehr als attraktives Zielland für Schutzsuchende wahrgenommen werden.»
Frühe Kehrtwende
Auslöser für den Kurswechsel war die Migrationskrise 2015. Schweden war eines der Haupt-Aufnahmeländer von Flüchtenden – und mit der Situation überfordert. Unter Tränen verkündete die damals rot-grüne Regierung das Ende der liberalen Flüchtlingspolitik.
Die zunächst provisorischen Massnahmen für eine «Atempause» blieben in Kraft. Seit 2022 die rechtspopulistischen Schwedendemokraten zweitstärkste Kraft im Land wurden, bringen diese immer weitere Verschärfungen durch. Die nun konservative Regierung zieht mit. 2023 lag die Zahl der Asylanträge bei vergleichsweise tiefen 12'600 Gesuchen – bei rund zehn Millionen Einwohnern.
Fokus auf Rückkehr statt Integration
«Es ist eine ganze Palette von Massnahmen: Man kam von einer permanenten zu einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, man hat den Familiennachzug beschränkt, man machte es schwerer für Personen, ohne legalen Aufenthalt im Land zu bleiben», fasst Migrationsexperte Parusel zusammen. Damit bewege sich Schweden oft an der Grenze des humanitären Völkerrechts und des europäischen Rechts.
Ganz wie Dänemark, das sogar noch weiter geht: Das Land muss sich wegen einer Sonderregelung im Justizbereich nur teilweise an EU-Recht halten und hat die Schraube seit der Migrationskrise noch stärker angezogen. Besonders heikel sind etwa die umstrittenen Abschiebezentren. Die harte Linie ist politisch breit abgestützt.
Copy/Paste auf andere Länder funktioniert nicht
Dennoch taugen Schweden und Dänemark nicht direkt als Vorbilder für andere Länder Europas: Denn sie profitieren von ihrer geografischen Lage im Norden – und den weniger strikten Regeln anderer Länder, wie etwa Deutschland.
Würden andere Staaten nun dem Norden nacheifern, hätten dieselben Massnahmen kaum denselben Effekt, so Parusel. Das gelte gerade auch für Länder wie Deutschland, Österreich und die Schweiz mit ihrer zentralen Lage in Europa.
«Letztlich führen die Massnahmen nicht dazu, dass die Menschen nicht mehr fliehen – sondern es führt lediglich zu Umlenkungseffekten innerhalb Europas», betont Parusel. Der Forscher sieht Europa vor einem «Wettlauf um die niedrigsten Standards» – mit offenem Ausgang und potenziell negativen Auswirkungen auf die Integration.
In Schweden ist die Migration laut Umfragen derzeit kein grosses Thema. Die Schwedendemokraten schwächeln in der Wählergunst. Nun möchten sie nebst dem Asylbereich auch die Einwanderung von Arbeitskräften einschränken. Gegen ein «Zuviel der Abschreckung» beginnt sich nun aber langsam Widerstand zu regen – aus der Wirtschaft.