Vor rund drei Wochen haben sich die Innenministerinnen und Innenminister der EU auf einen Asylkompromiss geeinigt. Von einem «Meilenstein» oder einer «historischen Einigung» sprachen Politikerinnen und Politiker danach.
Gewiss: Die Einigung war bemerkenswert, erfolgte sie doch nach jahrelangen Streitigkeiten über die Einwanderungs- und Asylregeln in der EU.
Nun ginge es eigentlich an die Umsetzung des Entscheids. Doch der Streit um die Asylreform ist bereits zurück auf der höchsten Ebene der EU: auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs.
Widerstand aus Ungarn und Polen
Ungarn und Polen kündigen an, dass sie sich an einem sogenannten «verpflichtenden Solidaritätsmechanismus» nicht beteiligen wollen. Diese sieht vor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig nicht mehr freiwillig sein soll – eigentlich. Denn Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sollen sich mit Ausgleichszahlungen freikaufen können. Polen und Ungarn lehnen auch diese Variante ab.
Die beiden Staaten können den Asylkompromiss der Innenminister am EU-Gipfel aber nicht direkt blockieren, sie können nur Einfluss nehmen auf den Text der Gipfel-Schlusserklärung. Aber die Episode zeigt, dass der sogenannte Asylkompromiss der EU noch lange nicht in trockenen Tüchern ist. Und das längst nicht nur wegen des Widerstands aus Polen oder Ungarn.
Mit Drittstaaten im Mittelmeerraum will die EU Migrationsabkommen abschliessen, so will sie erreichen, dass weniger Migrantinnen und Migranten nach Europa gelangen. Eigentlich sollte noch vor dem EU-Gipfel mit Tunesien eine Absichtserklärung unterzeichnet werden. Doch bisher liegt sie nicht auf dem Tisch. Ein verbindliches Abkommen, das dann auch angewendet wird, bleibt weiter Theorie. In noch weiterer Ferne liegt ein europäisches Abkommen mit einem disfunktionalen Staat wie Libyen.
Grosse Differenzen mit EU-Parlament
Ausserdem gibt es erhebliche Differenzen zwischen EU-Staaten und EU-Parlament. So drängt das EU-Parlament zumindest in Ausnahmefällen weiter auf eine verpflichtende Verteilung von Schutzsuchenden – ohne Möglichkeit von Ausgleichszahlungen. Auch menschenrechtliche und rechtsstaatliche Bedenken sind im Parlament viel grösser als unter den Mitgliedstaaten, die mit dem Asylkompromiss vor allem auf das Prinzip Abschreckung setzen. Die Verhandlungen zwischen EU-Staaten und EU-Parlament dürften sich noch über Monate hinziehen.
Bis zur Umsetzung des Asylkompromisses ist es noch ein weiter Weg. Sie dürfte ebenso harzig vonstattengehen wie die Kompromissfindung. Die Zwischenrufe aus Ungarn und Polen am EU-Gipfel sind nur Vorboten.