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Migrationspolitik und die AfD Scholz und Merz liefern sich Schlagabtausch im Bundestag

  • Eine Regierungserklärung von Kanzler Olaf Scholz zum tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg sowie zwei Anträge in der Migrationspolitik sorgten für heisse Debatten im deutschen Bundestag.
  • Die CDU/CSU-Fraktion will mit Anträgen einen Kurswechsel in der Migrationspolitik einläuten und zusätzliche Befugnisse für die Sicherheitsbehörden erreichen.
  • Bei der Abstimmung zum Zustrombegrenzungsgesetz am Freitag könnte im deutschen Parlament erstmals ein Gesetz dank der Unterstützung der AfD zustande kommen.

Der deutsche Bundeskanzler kritisierte den Kanzlerkandidaten der CDU/CSU Friedrich Merz in seiner Regierungserklärung, scharf für dessen Vorschläge zur Begrenzung der Zuwanderung – und dafür, dass Merz akzeptiere, nur dank der AfD eine Mehrheit zu bekommen: «Sie nehmen die Unterstützung der AfD für Ihre rechtswidrigen Vorschläge offen in Kauf», sagte Scholz. Das sei ein «unverzeihlicher Fehler».

Erstmals Antrag dank Zustimmung der AfD angenommen

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Der Bundestag hat mit den Stimmen der AfD einem Antrag der oppositionellen CDU/CSU-Bundestagsfraktion zugestimmt, der eine drastische Verschärfung der Asylpolitik fordert. Für den Antrag stimmten 348 Abgeordnete, dagegen 345, zehn enthielten sich, wie Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt mitteilte. Damit kam im Bundestag erstmals ein Antrag mithilfe der in Teilen rechtsextremen AfD zu Stande.

In dem Antrag wird unter anderem gefordert, Flüchtlinge an den deutschen Grenzen abzuweisen. Für das Handeln der Bundesregierung oder der Staatsgewalt insgesamt ist der Antrag aber nicht bindend.

Die AfD hatte vor der Abstimmung wie die FDP angekündigt, dem Antrag zustimmen zu wollen. SPD und Grüne wollten mit Nein stimmen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht wollte sich enthalten.

Ein zweiter Antrag für weitreichende Reformen bekam 190 Ja-Stimmen, 509 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen. In der Debatte hatten sich Abgeordnete von SPD, Grünen, Linke, BSW, AfD und FDP gegen den Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion ausgesprochen.

Merz präsentiere rechtswidrige Scheinlösungen, erklärte Scholz weiter. Die von Merz angekündigten Massnahmen verstiessen gegen die Verfassung und europäisches Recht, sagte der SPD-Politiker. Solche Scheinlösungen beschädigten den Rechtsstaat und würden das Fundament der EU untergraben.

Person spricht am Rednerpult im Deutschen Bundestag.
Legende: Olaf Scholz wirft der Union und Friedrich Merz vor, mit ihren Plänen europäisches Recht zu untergraben. Imago/Florian Gaertner

«Das grösste Land der EU würde offen EU-Recht brechen, so wie das bisher nur Viktor Orban in Ungarn wagt», sagte Scholz. Das habe eine fatale Signalwirkung an andere Staaten. «So etwas hätte kein deutscher Bundeskanzler je getan», betonte Scholz. «Ein deutscher Bundeskanzler darf kein Zocker sein.»

Merz verteidigt sich und attackiert Scholz

Der CDU-Chef bekräftigte, dass er für die Durchsetzung seiner Vorschläge zur Migration die Zustimmung der AfD in Kauf nehme. Das sei ihm lieber, als «weiter ohnmächtig zuzusehen, wie die Menschen in unserem Land weiter bedroht, verletzt und ermordet» werden.

Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen. Sie bleibt richtig.
Autor: Friedrich Merz Union

In seiner Antwort auf die Rede von Scholz verwies Merz auf dringend nötigen Handlungsbedarf. «Es kann sein, dass die AfD hier im Deutschen Bundestag am Freitag erstmalig die Mehrheit für ein notwendiges Gesetz ermöglicht», sagte der CDU/CSU-Fraktionschef. Er fügte hinzu: «Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen. Sie bleibt richtig.»

Um dieses Gesetz geht es am Freitag

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Am Freitag steht das sogenannte «Zustrombegrenzungsgesetz» der Unionsfraktion zur finalen Abstimmung. Die Neuregelung soll unter anderem den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden.

Diesem Gesetz wollen neben Union auch AfD, FDP und BSW zustimmen.

Die Demokratie gerate in Gefahr, wenn eine gesellschaftliche und politische Minderheit «die Radikalen als Werkzeug benutzt, um den Willen der Mehrheit der Bevölkerung dauerhaft zu ignorieren», kritisierte Merz SPD und Grüne. Die Union werde sich von beiden Parteien nicht mehr sagen lassen, «was wir zu tun und was wir nicht zu tun haben».

Mann im Anzug hält Rede, ein anderer sitzt im Hintergrund.
Legende: «Wie viele Kinder müssen noch Opfer solcher Gewalttaten werden, bevor sie auch der Meinung sind, dass es sich hier um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt?», fragte Merz in seiner Ansprache rhetorisch. Imago/Thomas Imo

Erneut forderte der CDU-Chef SPD und Grüne auf, an diesem Freitag zum sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz der Christdemokraten zuzustimmen. «Sie können Ihre Entscheidung treffen, und möglicherweise wird jetzt auch ohne Sie und in der Sache trotzdem richtig entschieden.»

Tat von Aschaffenburg beschäftigt deutschen Wahlkampf

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Ausgangspunkt für die aktuelle Migrationsdebatte war der Messerangriff von Aschaffenburg (Bayern) mit zwei Toten, der vor einer Woche den Bundestags-Wahlkampf komplett umkrempelte. Ein offenbar psychisch kranker Mann aus Afghanistan soll zwei Menschen getötet haben, darunter einen zweijährigen Jungen mit marokkanischen Wurzeln aus einer Kindergartengruppe, und weitere schwer verletzt haben. Der 28 Jahre alte Tatverdächtige war ausreisepflichtig.

Die Demokratie sei in Gefahr, wenn Radikale an die Macht kommen, ergänzte er. «Deshalb werden wir und deshalb werde ich alles tun, um genau das zu verhindern.» Scharf wies er Vorwürfe von Scholz zurück, er gebe die klare Abgrenzung zu rechtsextremen Parteien auf. Zu entsprechenden Spekulationen sagte Merz: «Sie sind niederträchtig, und sie sind infam.»

Wahlen in Deutschland 2025

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Legende: KEYSTONE/DPA/Anna Ross)

Deutschland soll am 23. Februar 2025 einen neuen Bundestag wählen. Anschliessend wird eine neue Regierung ernannt. Alle News und Hintergründe zu den Wahlen in Deutschland finden Sie hier.

SRF4 News aktuell, 29.01.25, 16 Uhr ; 

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