Minister um Minister verlässt den Posten: Die slowakische Regierung befindet sich in einer Krise. Was ist da genau los? Marianne Allweiss ist Korrespondentin des Deutschlandfunks für Tschechien und die Slowakei und erklärt, wie es zu dieser Situation kommen konnte.
SRF News: Bei der slowakischen Regierung scheint vieles im Argen zu liegen. Letzte Woche sind schon der Landwirtschaftsminister und der Aussenminister zurückgetreten. Nun auch der Ministerpräsident. Warum ist diese Regierung so instabil?
Marianne Allweiss: Die Umfragewerte der konservativen Regierungsparteien dümpeln seit Monaten um die 5-Prozent-Hürde. Diese könnten also den Einzug ins Parlament verpassen. Sie befürchten, dass die linkspopulistischen Kräfte nach Neuwahlen wieder an die Macht zurückkehren könnten. Daher hat die Slowakei schon vor Monaten in den Wahlkampfmodus gewechselt, dabei kämpft das Land mit enormen Problemen.
Die Inflation liegt bei etwa 15 Prozent. Da ist die Energiekrise, der Ukraine-Krieg. Seit Dezember sind der Gesundheits- und Finanzminister zurückgetreten. Diese Ämter hat Premier Heger schon übernommen und er hätte jetzt noch zwei andere Ministerämter mit dem Personal besetzen müssen, das noch an Bord ist. Neue Mitglieder darf er nicht ernennen. Nun hat Präsidentin Zuzana Čaputová ein Machtwort gesprochen und gesagt: Genug ist genug.
Bis zu den Wahlen im September sollen Expertinnen und Beamte das Land führen. Kann das zumindest vorübergehend etwas Stabilität bringen?
Beobachter hoffen, dass ein Expertenkabinett wenigstens wichtige Sachaufgaben erfüllen kann, anders als der Premierminister jetzt. Das Team stehe schon fest, sagte Zuzana Čaputová am Sonntag. Bisher ist aber nur bekannt, wer es führen soll, nämlich Ludovit Odor, ein erfahrener Wirtschaftswissenschaftler, der auch schon eine konservative Vorgängerregierung beraten hat.
Diese Expertenregierung muss sich dann innerhalb von 30 Tagen der Vertrauensfrage im Parlament stellen, braucht also eine Mehrheit der Abgeordneten. Es bleibt kompliziert in den nächsten Tagen und Wochen.
Wie blickt die Bevölkerung auf diese Regierungskrise?
Da ist von einer Regierungskrise die Rede, aber immer wieder auch von einer Krise der Demokratie in der Slowakei. Die ist vor etwas mehr als fünf Jahren schon enorm erschüttert worden durch den Mord am Journalisten Jan Kuziak. Er hatte über tief sitzende Korruption in der Slowakei bis in die Regierung recherchiert.
Langzeitpremierminister Robert Fico musste damals zurücktreten, führt aber jetzt wieder in den Umfragen.
Im Herbst stehen diese Neuwahlen an. Was braucht es, damit das Land wieder zu Stabilität findet?
Der Vertrauensverlust in demokratische Institutionen insgesamt ist riesig, sodass es auch neuere liberale, proeuropäische Parteien sehr schwierig haben, wie zum Beispiel auch die Partei der Präsidentin. Es bräuchte einen echten Neuanfang mit neuem Personal, mit neuen Politikern, die in der Lage sind, nicht nur Klientelpolitik zu betreiben, sondern auch wirklich durchzuhalten und Werbung für die Demokratie in der Slowakei zu machen.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.