Nie seit der kältesten Phase des Kalten Krieges war der Dialog zwischen West und Ost so nötig wie gerade jetzt. Und nie war er so schwierig. Um ihn zu ermöglichen, wurde eigens die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die OSZE, geschaffen. Sie zählt 57 Mitgliedsländer und reicht von Wladiwostok bis Vancouver. Und sie ist mittlerweile die einzige paneuropäische Organisation, in der Russland noch mit am Tisch sitzt. Aus dem Europarat wurde Moskau nach der Invasion in die Ukraine hinausgeworfen. Der Nato-Russland-Rat existiert ebenso wenig mehr wie EU-Russland-Treffen stattfinden.
Auch in der OSZE gebärdet sich Russland als renitentes Mitglied und verhindert seit bald drei Jahren zentrale Beschlüsse. Aussenminister Sergej Lawrow benutzte – manchen sagen «missbrauchte» – seine Präsenz am OSZE-Treffen gestern und heute in Malta für Drohungen mit einem «heissen Krieg» und spielte sich für sein Heimpublikum auf. Weshalb US-Aussenminister Anthony Blinken von einem «Desinformations-Tsunami» sprach und seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock von «unerträglichen Lügen». Das OSZE-Aussenministertreffen hätte also schlechter nicht beginnen können.
Einigung beim Generalsekretär – doch mehr nicht
Dennoch gab es am Ende zumindest in einem Punkt ein überfälliges Resultat: Die OSZE hat wieder einen Generalsekretär; auch drei weitere, lange vakante Spitzenposten wurden im Einvernehmen neu besetzt. Feridun Sinirlioglu, türkischer Topdiplomat und kurze Zeit auch Aussenminister, war zwar nicht der Wunschkandidat der meisten Mitgliedsländer. Zudem kennt er die OSZE nicht. Dennoch gilt er zumindest als valable Besetzung. Dass er Türke ist und sein Land mit Moskau gute Beziehungen pflegt, könnte ein Vorteil sein.
Noch immer keine Einigung gibt es indes beim Budget, und zwar jenem für 2024. Erst recht nicht zu dem fürs kommende Jahr. Das heisst, die OSZE ist finanziell stranguliert. Neue Initiativen kann sie keine lancieren, bisherige Aufgaben immer weniger erfüllen. Blockierer ist in diesem Punkt nicht Russland, sondern vor allem Aserbaidschan.
Schweiz als mögliche Rettung für den OSZE-Vorsitz
Ebenfalls offen bleibt, wie es mit dem OSZE-Vorsitz weitergeht. 2025 spielt Finnland diese Rolle, danach ist alles unklar. Der Kreml weigert sich nämlich, für 2026 ein Nato-Land zu wählen – und schliesst damit fast zwei Drittel der Mitgliedstaaten aus. Aus der Patsche helfen könnte nun die Schweiz der OSZE. Etliche Staaten fragen an, ob sie diese Aufgabe nach 2014 nicht bereits wieder übernehmen könnte. Vor zehn Jahren bekam sie sehr gute Zensuren für ihre Amtsführung. Nun muss der Bundesrat entscheiden, ob die Schweiz erneut kandidiert.
Der Aufwand ist beträchtlich, die Herausforderungen sind gewaltig. Zwar verschwand die Organisation mit Hauptsitz in Wien wegen der zahlreichen internen Blockaden in jüngster Zeit aus der öffentlichen Wahrnehmung. Sollte jedoch der Ukraine-Krieg in absehbarer Zukunft tatsächlich enden – wie auch immer –, käme der OSZE wohl erneut eine Schlüsselrolle zu.