Die Party ist vorbei. Die Fahnen sind eingeholt. Die royalen Auftritte von Paddington dem Bären, Elton John und Diana Ross Vergangenheit. Der politische Werktag ist zurück. Vielleicht ist es kein Zufall, dass die kritische Masse von Misstrauensanträgen gerade jetzt zusammengekommen ist. Das Parlament hatte Ferien. Die Abgeordneten feierten das Thronjubiläum in ihren Wahlbezirken und spürten den Puls der Bevölkerung. Die Untertanen feierten nicht nur die schiere Länge der Regentschaft der Queen, sondern ihre Integrität und Verlässlichkeit.
Der Kontrast zum aktuellen Bewohner von Downing Street, Boris Johnson, hätte dabei kaum deutlicher ausfallen können. Es könnte diese Fallhöhe gewesen sein, die bei vielen den Wunsch nach einem Premierminister mit ähnlichen Charaktereigenschaften verstärkt hat.
Partei-Strategen warnten vor einer Abwahl in turbulenten Zeiten
Als am Sonntagabend absehbar wurde, dass die erforderliche Zahl an Misstrauensanträgen zusammen ist, startete Downing Street eine grosse Rettungsaktion. Ministerinnen und Minister weibelten auf allen Kanälen für ihren Chef. Johnson verschickte jedem Parlamentarier und jeder Parlamentarierin einen persönlich unterzeichneten Brief.
Partei-Strategen warnten zudem eindringlich vor einer Abwahl des Premierministers mitten in turbulenten Zeiten. Eine Nachfolge-Regelung hätte fünf bis sieben Wochen gedauert und die Regierung innen- und aussenpolitisch geschwächt.
Dass über 150 Abgeordnete mehr oder weniger auf der Lohnliste von Downing Street stehen, ist nicht zu unterschätzen. Unzählige Minister, Juniorminister und parlamentarische Parteisekretäre hätten bei einer Abwahl des Premierministers ihren Job verloren. Dieses «Patronage-System» hat neben der erwähnten «Zeltmission» wohl ebenso dazu beigetragen, dass Johnson die magische Zahl von 180 Stimmen erreicht hat.
Votum zu überleben ≠ politisch zu gewinnen
Die Rechnung ist für Boris Johnson also einmal mehr aufgegangen. Eine Vertrauensabstimmung arithmetisch zu überleben, ist jedoch nicht dasselbe wie politisch zu gewinnen. Die damalige Premierministerin Theresa May hat ein Misstrauensvotum im Dezember 2018 ebenfalls überlebt und musste sechs Monate später trotzdem den Hut nehmen.
Vertrauensabstimmungen sind in der britischen Politik selten lebensverlängernde Massnahmen. Das Amt hat Boris Johnson mit seinen Eskapaden längst beschädigt, doch nun ist auch seine Autorität beschädigt. Denn nun ist öffentlich bekannt, dass 148 seiner Parteikolleginnen und Parteikollegen dieses Premierministers überdrüssig sind. Diese Zahl wird für den Rest seiner Amtszeit über Boris Johnson hängen.