Planung und Bau des neuen Flughafens Berlin Brandenburg waren ein finanzielles Debakel und sorgten für viel Spott. Mit neun Jahren Verspätung geht es jetzt mitten in der Corona-Krise los. SRF-Deutschland-Korrespondent Peter Voegeli blickt zurück.
SRF News: Wird die Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg gefeiert?
Peter Voegeli: Nein, sie wird gar nicht gefeiert. Der Chef des Flughafens Engelbert Lütke Daldrup hat vor einiger Zeit gesagt: Wir feiern nicht, wir fangen einfach an. Zu peinlich waren all die Pannen. Jetzt kommt noch Corona dazu. Es landen und starten am Samstag zwei Flugzeuge von Easyjet und Lufthansa . Der erste Flug ab BER wird nach London Gatwick abheben.
Der Bau hat knapp sechs Milliarden Euro gekostet, letztlich viel mehr als geplant. Sieht man das wenigstens?
Nein, das sieht man nicht. Die Gebäude sind schon lange fertig. Am Innenleben hat es gehapert, vor allem am Brandschutz. Die Probleme begannen im Kleinen. Ein Beispiel: Man musste Metalldübel verbauen, doch es waren auch einige Plastikdübel darunter. Die Probleme gingen weiter im Grossen. Vor allem die ständigen Änderungswünsche haben das Projekt fast gekillt. Fast 500 Anträge bis kurz vor der ursprünglich geplanten Eröffnung im Jahr 2012 waren es. Ein Vorhaben, das von der ersten Planung bis zur Eröffnung 30 Jahre dauert, wird zudem ständig von neuen Gesetzen eingeholt. Etwa die verstärkten Sicherheitsvorschriften nach den Anschlägen von 9/11. BER haben richtig grosse Probleme getroffen.
Der alte Flughafen Schönefeld gleich neben dem neuen Flughafen wird als Terminal in BER integriert. Der grössere Flughafen Tegel TXL verschwindet. Was ist dort geplant?
Tegel soll ein Gewerbe- und Wissenschaftsstandort werden, ein Technologiezentrum mit dem Namen Urban Tech Republic. Die Beuth Hochschule für Technik kommt, und 800 bis 1000 Unternehmen sollen angesiedelt werden. Geplant sind 5000 Wohnungen im Umfeld. Dort wo einst die Taxis vor dem berühmten sechseckigen Terminal A parkierten, wird ein See entstehen.
Tegel wurde zu klein, liegt aber zugleich sehr zentral. Gibt es auch Trauer um Tegel?
Natürlich. TXL war Berlin. 1948 haben die Berliner diesen Flughafen selbst in neun Monaten für die Luftbrücke gebaut, als die Sowjetunion Westberlin aushungern wollte. TXL war immer das Tor zur Welt für die Westberliner. Er ist Kult, voll «Seventies». Farben, Formen, bis zu jedem Stuhl und jedem Geländer, alles ist Siebzigerjahre wie in einer Zeitkapsel. Für zweieinhalb Millionen Passagiere jährlich war er ausgelegt, am Schluss waren es 22 Millionen. Er wurde am Ende völlig auf Verschleiss gefahren, aber er war unkaputtbar, so wie Herbie der Käfer. TXL ist ein bisschen wie Berlin. Hier ist man nicht elegant wie in Zürich. Hier trägt man einen sehr sorgfältig ausgewählten Schmuddel-Look. Das ist in Berlin in und so ist auch ein bisschen Tegel.
Ich glaube, die Berliner haben ein müdes Lächeln für diese Eröffnung übrig. Lächeln, weil jetzt, wo der Flughafen endlich offen ist, keiner fliegen kann. Und müde, weil der nächste Teil-Lockdown bevorsteht.
Gibt es in Berlin auch Stimmen, die sich nach all dem Ärger und in der Coronakrise fragen, ob es den Flughafen überhaupt noch braucht?
Diese Frage stellt man sich jetzt nicht. Man hat keine Zeit dafür. Ich glaube, die Berliner haben ein müdes Lächeln für diese Eröffnung übrig. Lächeln, weil jetzt, wo der Flughafen endlich offen ist, keiner fliegen kann. Und müde, weil der nächste Teil-Lockdown bevorsteht. Und ob es den Flughafen braucht – die Berliner hoffen das natürlich schon, denn einen Flughafen hätten sie schon gern.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.