Der erste Tag der Syrien-Friedenskonferenz hat gezeigt, wie stark die gegenseitige Abneigung zwischen den Bürgerkriegsparteien ist. Die Stimmung im Konferenzsaal schwankte zwischen Betroffenheit und Aggressivität.
Bei der Eröffnung sagte UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon, er wisse, dass die Emotionen hoch gehen können. Er bitte darum alle Anwesenden inständig, sich nicht zu Beleidigungen hinreissen zu lassen. Eine Mahnung, die höchst ungewöhnlich ist für ein politisches Spitzentreffen.
Brandrede von Syriens Aussenminister
Walid al-Muallim weigerte sich trotz Ermahnung des UNO-Generalsekretärs, sich an die vorgeschriebene Redezeit zu halten. Er redete sich mehr als 20 Minuten in Rage: «Nach drei Jahren des Leidens ist das mein gutes Recht.», sagte der syrische Aussenminister.
Muallim äusserte sich wutentbrannt und beschimpfte Saudi-Arabien und Katar wegen ihrer Unterstützung der syrischen Rebellengruppen. Im gleichen Atemzug schloss er in seine Beschimpfungen auch die Türkei und den Westen mit ein.
Die syrischen Oppositionellen wiederum seien Lakaien Israels, jene, die im Exil lebten, seien ohnehin Feiglinge. Und alle hätten keinerlei Vision für Syrien und kein Recht, sich politisch zu betätigen. Wer Widerstand gegen die Regierung leiste, sei ein Terrorist.
Am Ende musste Ban Ki Moon eingreifen, um Muallims Hass-Rede zu beenden. Als Ban darauf das Wort dem Leiter der syrischen Oppositionsdelegation, Ahmad Dscharba, erteilte, wurde der Ton keineswegs freundlicher. Er verglich das Assad- mit dem Nazi-Regime und bezeichnete es seinerseits als terroristisch.
«Am Freitag gibt es weder Scheinwerfer noch Mikrofone»
Die teils heftigen Worte könnten als schlechtes Omen für die eigentlichen Verhandlungen am Freitag in Genf gesehen werden. SRF-Korrespondentin Alexandra Gubser relativiert aber: «Das waren sehr viele Scheingefechte heute – eine Show fürs internationale Publikum.» Syriens Regierung und die Opposition hätten noch einmal deutlich ihre Positionen klar gemacht.
Bei den Gesprächen am Freitag in der UNO seien weder Scheinwerfer noch Mikrofone in der Nähe, so Gubser. Nach diesen scharfen Worten sei die Frage aber erlaubt: Werden sich die syrische Opposition und die Regierung wirklich gegenüber sitzen? Immerhin betonte der syrische Aussenminister noch einmal: Ein Dialog über die politische Zukunft des Landes müsse in Syrien stattfinden – und nirgendwo anders.
UNO-Vermittler Lakhdar Brahimi will darum den Donnerstag nutzen, um die Kontrahenten in Einzelgesprächen zu indirekten Verhandlungen zu bewegen. Damit will er festlegen, ob Syriens Regierungsvertreter und die Opposition überhaupt bereit sind, am Freitag an einen Tisch zu sitzen.
Das harsche Auftreten Muallims war bei den übrigen Konferenzteilnehmern schlecht angekommen. Stellvertretend für andere kritisierte der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier die Uneinsichtigkeit der Assad-Delegation.
Kompromissbereite Opposition
Der Vorsitzende des syrischen Oppositionsbündnisses, Ahmed al-Dscharba, zeigte sich dagegen kompromissbereit und wiederholte die Forderung nach der Umsetzung des «Genf-I»-Dokuments vom Sommer 2012. Diese sieht eine Waffenruhe vor, die Freilassung von politischen Häftlingen und die Bildung einer Übergangsregierung vor. Ein Kompromiss mit dem Regime sei aber nur möglich, solange die Assad-Familie dabei keine Rolle spiele.
Grossmächte mit völlig gegenteiliger Ansicht
Russlands Aussenminister Sergej Lawrow machte einmal mehr deutlich, man denke nicht daran, das Assad-Regime fallen zu lassen. Er betonte erneut, dass der Iran als zweiter grosser Unterstützer Assads unbedingt an den Verhandlungen beteiligt sein müsse.
Genauso unversöhnlich war der Auftritt von US-Aussenminister John Kerry. Es sei unvorstellbar, dass Assad in einem zukünftigen Syrien eine politische Rolle spielen könne. Assad, der die Gräueltaten verantwortet, über die gestern schreckliche Bilder publik wurden: «Ein einzelner Mann und seine Henker dürfen nicht länger eine ganze Nation als Geisel halten.»
Bundespräsident Didier Burkhalter appellierte zu Beginn der Konferenz an die Konfliktparteien und lobte die Teilnehmer für ihr Erscheinen. «Alle, die an der Konferenz erschienen sind, senden ein starkes Signal – das ist ein vielversprechender Anfang.». Er zitierte Nelson Mandela mit den Worten: «Es erscheint immer unmöglich, bis man es gemacht hat.»
Proteste und Kritik
Vor dem Beginn der Konferenz ist es vor dem Hotel Montreux Palace zu Demonstrationen für und gegen Syriens Präsident Baschar al-Assad gekommen. Bei der Demonstration für Assad wurden laut der Kantonspolizei Waadt gegen 250 Personen gezählt. Zugleich demonstrierten rund 80 Personen für die Opposition. Die beiden Demonstrationen standen sich zeitweise gegenüber. Es kam jedoch zu keinen Zusammenstössen.
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Nur schwache Hoffnung für die Friedenskonferenz hat Irans Präsident Hassan Rohani. Einige der Konferenzteilnehmer hätten selbst Interesse an einem instabilen Syrien, gab Rohani auf seiner Website bekannt. Die UNO hatte den Assad-Verbündeten Iran von der Konferenz zuerst ein- und dann wieder ausgeladen.
Im Anschluss an die Gespräche in Montreux sind direkte Verhandlungen zwischen dem syrischen Regime und der Opposition in Genf geplant. Sie sollen einen Waffenstillstand und die Bildung einer Übergangsregierung vereinbaren. Auch westliche Diplomaten erwarten keine schnellen Erfolge.