- Mehr als zwanzig Staats- und Regierungschefs, rund hundert Minister und die Chefs der internationalen Organisationen sind ab heute in München zur Sicherheitskonferenz versammelt.
- Wolfgang Ischinger, der Chef der Sicherheitskonferenz, sagt, die Welt sei «zu nahe an einen grossen zwischenstaatlichen Konflikt gerückt». Auch die nukleare Bedrohung wächst.
- Bei vielen Teilnehmern des Treffens herrscht folgerichtig Alarmstimmung. Was aber sind die grössten Risiken?
Die Rückkehr der Atombombe: Gewiss, sie war immer da. Doch seit Hiroshima und Nagasaki wurde sie nie mehr eingesetzt. Ihr wird gar eine stabilisierende Rolle zugeschrieben. Doch ob das weiterhin stimmt – daran bestehen rapide wachsende Zweifel. Eine Lösung des Nordkorea-Konflikts ist nirgends erkennbar. Der Atomkonflikt mit dem Iran könnte wegen US-Präsident Donald Trump erneut aufflammen. Die meisten bisherigen Atommächte rüsten nuklear auf, modernisieren ihre Arsenale für hunderte von Milliarden. Russland setzt wieder verstärkt auf Atomwaffen – die USA planen, die Entwicklung sogenannter «Mini-Nukes» voranzutreiben. Atombomben, die nicht nur der Abschreckung dienen, sondern die tatsächlich in einem Konflikt eingesetzt werden könnten. Mit verheerender Wirkung – obschon sie längst nicht die Sprengkraft strategischer Atombomben haben. Die nukleare Bedrohung wächst. Seit Jahrzehnten haben Atomwaffen auf der Münchner Sicherheitskonferenz nicht mehr eine derart zentrale Rolle gespielt wie diesmal. Völlig offen, ob die Debatte darüber zur Entspannung beiträgt.
Das Ende der liberalen, westlichen Weltordnung: Lange Zeit galt das westliche Modell mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als überlegen. Viele erwarteten, mit der Zeit werde es sich weltweit durchsetzen. Doch auf einmal gibt es Zweifel, nachdem im Westen die Gesellschaft immer gespaltener ist, nachdem es immer mehr frustrierte Wutbürger gibt, was links- und vor allem rechtspopulistischen Bewegungen und Politikern in die Hände spielt. Autoritär regierte Staaten wie China, Russland und neuerdings wieder die Türkei geben verstärkt den Ton an. Westliche Staaten ducken sich. Zumal ihre Führungsmacht USA von einem irrlichternden Präsidenten regiert wird und wachsenden Unwillen zeigt, weiterhin die weltpolitisch dominierende Rolle verbunden mit grosser Verantwortung, zu spielen. Abzusehen ist: Westliche Regierungsvertreter werden in München eher kleinlaut und konzeptlos auftreten.
Der Syrienkonflikt flammt neu auf: Eben noch schien es, als beruhige sich die Lage in Syrien nach fast sieben Jahren Krieg. Die Terrormiliz IS scheint, zumindest vorläufig, besieht. Das Assad-Regime hat sich dank iranischer und russischer Hilfe, weitgehend durchgesetzt. Zeit für ein Ende der Kämpfe, für eine Stabilisierung – allerdings unter diktatorischer Fuchtel. Doch in den letzten Wochen kochen die Auseinandersetzungen erneut hoch. Und weil so viele Kräfte – das syrische Regime, die Kurden, Russland, Iran, die USA, die Türkei und Israel – beteiligt sind und höchst widersprüchliche Interessen haben, ist eine Lösung schwierig. Trotzdem wird man in München um eine solche ringen. Immerhin: Im Grunde kann kein Akteur ein Interesse an einer Fortsetzung des Blutvergiessens haben. Denn dann hätten alle viel zu verlieren – eine Lageberuhigung würde hingegen allen nützen. Bloss: Wie kriegt man sie hin?
Misstrauen zwischen Partnern: Auch ein Jahr nach Donald Trumps Amtsantritt ist die traditionelle transatlantische Partnerschaft nicht wieder gekittet. Es herrscht Misstrauen statt Vertrauen. Zwar besteht der Eindruck, dass in Washington Trumps sicherheitspolitische Garde, der Pentagon-Chef und der Sicherheitsberater, beträchtlichen Einfluss haben, wenn es um Fragen von Krieg und Frieden geht. Doch ganz sicher ist niemand. Jedenfalls ist die Stimmung in der Nato unterkühlt. In München wird man versuchen, sich einander wieder anzunähern. Aber eine schwer berechenbare Supermacht, wie sie die USA zurzeit darstellen, bleibt ein Problem.
Herausforderung Russland: Seit langem spielt die Münchner Sicherheitskonferenz eine Schlüsselrolle, wenn es um das Verhältnis zu Russland geht. Doch eine Normalisierung, eine Rückkehr von der Gegnerschaft zu einer begrenzten Partnerschaft, ist extrem schwierig. Russlands Präsident Wladimir Putin steht vor seiner Wiederwahl. Es hilft ihm, wenn er das Feindbild Westen und besonders Amerika in düsteren Farben malen kann. Und sich so als starker Mann profiliert, der Europa und den USA die Stirn bietet. Präsident Trump kann sich keinerlei Annäherung an Russland erlauben, solange der gut belegte Verdacht im Raum steht, er und sein Team hätten vor der Wahl mit Moskau gekungelt. Der Ukraine-Konflikt ist längst nicht beigelegt. Immerhin gibt es seit kurzem Signale, dass die diskreten amerikanisch-russischen Gespräche vielleicht doch zu einer Befriedung der Ostukraine führen. Mithilfe einer UNO-Friedenstruppe. Eiszeit herrscht indes weiterhin in der Krim-Frage. Und Moskau dürfte weiterhin jede sich bietende Gelegenheit nutzen, dem Westen Stolpersteine hinzulegen. Nicht zuletzt im UNO-Sicherheitsrat.
Zuspitzung um Nordkorea: Die Olympischen Winterspiele mögen vorübergehend zu einer Lageberuhigung geführt haben. Aber niemand glaubt ernsthaft, dass das danach so bleibt. Wird das Kim-Regime weiter Atombomben und Raketen testen. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür. Werden die Sanktionen vielleicht doch noch wirken, falls sie endlich tatsächlich durchgesetzt werden? Vielleicht. Tatsache ist aber, dass in Washington immer intensiver und konkreter über die Möglichkeit eines Militärschlags diskutiert wird. Zwar gibt es noch keine gezielten militärischen Vorbereitungen oder Truppenzusammenzüge. Aber wo einmal die Worte sind, könnten bald auch die Taten folgen. Obschon sich die allermeisten Beobachter einig sind: Selbst ein begrenzter Angriff auf Pjöngjang könnte gewaltige und verheerende Konsequenzen haben, weit über Korea hinaus. Nicht wenige Akteure werden deshalb in München versuchen, die US-Regierungs- und Parlamentsvertreter von solchen Plänen abzubringen.