Fünfzig Staats- und Regierungschefs, rund hundert Ministerinnen und Minister sowie Armee- und Geheimdienstchefs treffen sich bis am Sonntag an der Münchner Sicherheitskonferenz. Am wichtigsten sicherheitspolitischen Treffen der Welt ist auch die Ukraine Thema. Der Vorsitzende Christoph Heusgen sieht auch die Schweiz in der Verantwortung.
SRF News: Ein russischer Angriff auf ein Nato-Land gilt neuerdings in vielen Hauptstädten als realistisches Szenario. Trauen Sie Wladimir Putin einen solchen Angriff zu?
Christoph Heusgen: Ich traue Wladimir Putin alles zu. Weil er schon bisher immer wieder Vereinbarungen, die er getroffen hat, von heute auf morgen gebrochen hat. Deswegen darf man sich nicht auf Putins Wort verlassen, sondern muss ein Zeichen der Stärke setzen. Das ist das Einzige, was Putin respektiert.
Was geschieht, falls die Ukraine fällt?
Die Ukraine darf nicht fallen und wird nicht fallen. Die Ukrainer sind bereit, sich weiter zu wehren. Wir haben für die Münchner Sicherheitskonferenz Umfragen in der Ukraine gemacht. Es ist klar: Die Ukrainer werden bis zum Letzten kämpfen.
Wladimir Putin hat schon angedeutet, dass er seine alte Sowjetunion wiederhaben möchte – dazu gehören auch heutige Nato-Staaten.
Wir haben nicht nur die moralische Pflicht, sondern auch ein grosses politisches Interesse daran, dass die Ukraine nicht verliert. Sie schützt unsere Freiheit und Sicherheit. Wladimir Putin hat schon angedeutet, dass er seine alte Sowjetunion wiederhaben möchte. Und zur alten Sowjetunion gehören Staaten, die heute Mitglied der Nato sind.
Sollte auch ein nicht-Nato-Land wie die Schweiz mehr tun?
Die Schweiz macht im Weltsicherheitsrat eine sehr verantwortungsbewusste Politik. Sie könnte die Ukraine zur Unterstützung des internationalen Rechts, auch was Munition anbelangt, direkt oder indirekt noch mehr unterstützen.
Donald Trump droht offen damit, die Nato-Bündnisverpflichtung zu ignorieren. Nehmen Sie das ernst?
Ich lege nicht jede Äusserung von Trump auf die Goldwaage. Er hat schon sehr viel, auch Gegenteiliges, gesagt. Völlig unabhängig von Trump müssen wir in Europa unsere Hausaufgaben machen. Wir müssen die Verpflichtungen, die wir schon 2014 beim Nato-Gipfel in Wales eingegangen sind, erfüllen – jedes Jahr zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Wir müssen europäisch enger zusammenarbeiten. Sehr viele Effizienzgewinne sind noch möglich. Wir müssen den europäischen Pfeiler der Nato so stärken, dass dieser Pfeiler das Haus notfalls alleine halten kann.
Die Sicherheit Europas hängt mit der Unterstützung Amerikas zusammen.
Kann die Nato auch existieren, ohne dass die USA voll dahinter stehen?
Die Sicherheit Europas hängt mit der Unterstützung Amerikas zusammen. Das ist ein Bündnis, das seit dem Zweiten Weltkrieg hält. Ich gehe davon aus, dass dieses Bündnis weiter zusammenhält. Ich will gar nicht in eine andere Richtung spekulieren. Wichtig ist: Die Amerikaner geben über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus und wir weniger als zwei Prozent. Das ist ein berechtigtes Anliegen eines jeden normalen Amerikaners. Da ist ein gewisser Ausgleich nötig. Das hat Trump und vorher schon Obama verlangt.
Was versprechen Sie sich von der angekündigten Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz?
Ich finde es sehr schön, dass die Schweiz sich engagiert. Es ist wichtig, dass man auch sehr viele Länder des sogenannten globalen Südens dazu holt. Die Schweiz steht für die Beachtung internationalen Rechts. Die Schweiz steht für Genf, das IKRK ist da. Das ist eine sehr solide Basis. Es geht ja darum, dass internationales Recht Beachtung findet.
Das Gespräch führte Fredy Gsteiger.