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Münchner Sicherheitskonferenz Zwei Freunde sind sich fremd geworden

Keine politische und militärische Partnerschaft war jemals so eng, so umfassend und so stabil wie jene zwischen Europa und den USA nach dem Zweiten Weltkrieg. Gewiss: Sie bleibt wichtig. Und wird offiziell von beiden Seiten beschworen.

Doch wenn man sich nun drei Tage lang auf der Münchner Sicherheitskonferenz anhörte, was die beiden Partner einander zu sagen haben, so wird klar: nicht allzu viel. Man redet aneinander vorbei, und jede Seite schmiedet ihre eigenen Pläne.

«America first» bedeutet halt doch «America only»

Natürlich war die Wahl von Donald Trump für die transatlantische Freundschaft ein schwerer Schlag. Sein Unverständnis für Europa, seine Verachtung für die Nato, sein ständiges Artilleriefeuer per Tweet. Trotz allem kehrte mit der Zeit die Gelassenheit zurück: Selbst Trump, so der Eindruck, erschüttert die Partnerschaft nicht grundsätzlich. Zumindest solange nicht, als an den Schlüsselstellen in Washington vernünftige Leute sitzen wie der Pentagonchef, der Sicherheitsberater oder der Aussenminister.

Doch nun scheint es, als habe Trump mehr ins Wanken gebracht als gedacht. Der Eindruck, «America first» bedeute halt doch «America only», hat sich verstärkt. Wohl auch deshalb, weil sich Europa und die USA schon unter George W. Bush und Barack Obama auseinandergelebt hatten.

Irritationen und Brüskierungen

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde nun offenkundig, wie breit der Graben geworden ist. Da trat zum ersten Mal kein einziger US-Minister öffentlich auf, obschon Pentagon-Chef James Mattis die ganze Zeit anwesend war. Sicherheitsberater H.R. McMaster wiederum wetterte bei seinem Auftritt hauptsächlich über den Iran – zur europäisch-amerikanischen Partnerschaft hatte er kaum etwas zu sagen. Das irritierte die Europäer.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und etliche europäische Verteidigungsminister sprachen ihrerseits von einer EU-Armee, davon, Europa müsse «weltpolitikfähig» werden, von engerer Kooperation untereinander – ohne die USA. Das kam bei den Amerikanern schlecht an. Die einen halten ein Verteidigungseuropa für eine Illusion, die anderen für einen Affront, für eine Gefahr für die Nato.

Eigenbrötlerei und Zahlungsunlust

Zum trüben Bild passt, dass die USA soeben eine neue Nuklearstrategie bekanntgaben, samt Mini-Atombomben – ohne jemals mit ihren europäischen Partnern, die teils auch Nuklearpartner sind, darüber geredet zu haben. Die EU wiederum beschliesst eine enge Rüstungszusammenarbeit – was die Amerikaner als Absicht interpretieren, US-Rüstungsgüter fernzuhalten.

Und gestritten wird weiter um die Nato-Beiträge der Europäer – die USA fordern mehr Geld, viele europäische Länder, nicht zuletzt Deutschland, sind unwillens, erheblich mehr zu zahlen.

Gewiss: Am Ende werden sich weder die Amerikaner ganz aus der Verantwortung für Europa stehlen. Noch werden sich die Europäer militärisch voll emanzipieren. Doch Zwietracht ist gesät. Unverständnis herrscht beidseits des Atlantiks. Womöglich auch dann noch, wenn Donald Trump längst Geschichte ist.

Fredy Gsteiger

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Portrait von Fredy Gsteiger

Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er u.a. Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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Konferenz-Leiter Wolfgang Ischinger.
Legende: Keystone

«Wir sollten dieses Wochenende nutzen, um Frieden und Sicherheit zu fördern», eröffnet Wolfgang Ischinger am Freitag seine Konferenz.

Doch 48 Stunden später herrscht vor allem eins: Ernüchterung. Ischinger sagt, die Gefahr einer Konfrontation der Grossmächte sei gross wie nie. Die USA, einst so etwas wie eine Weltpolizei, sind unter der Präsidentschaft von Donald Trump unberechenbar geworden – mit noch unabsehbaren Folgen für die internationale Ordnung.

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