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Muslim-Minderheit in China China legalisiert Umerziehungslager für Uiguren

Jetzt ist es amtlich: In der Krisenprovinz Xinjiang wird eine geschätzte Million Muslime «erzogen und transformiert».

Das offene Geheimnis: Bisher antwortete die chinesische Regierung immer ausweichend, wenn es um die verschärfte Kampagne gegen das muslimische Turkvolk der Uiguren im ehemaligen Ostturkestan ging. Jetzt bestätigt eine Gesetzesänderung durch das Parlament der Nordwestregion, dass die Umerziehungslager längst Realität sind. Mit der nachträglichen Legalisierung werden die Behörden offiziell ermutigt, als extremistisch eingestufte Personen in Trainingszentren «zu erziehen und zu transformieren». Rund eine Million Uiguren hat China gemäss UNO-Angaben in solchen Lagern eingesperrt. China hatte die Zahl bisher immer bestritten, aber eingeräumt, dass es so genannte «Berufsbildungszentren» gebe.

Die internationale Kritik: Mit der Legalisierung der Lager reagiere China möglicherweise auch auf den internationalen Druck, schätzt SRF-Nordostasien-Korrespondent Aldrovandi. Bis zu den Vorwürfen der UNO und vieler Nichtregierungsorganisationen sei die Provinz Xinjiang eigentlich nicht auf dem Radar der internationalen Medien gewesen. Die Zahl von mutmasslich über einer Million Internierter könne nun einfach nicht mehr ignoriert werden. «Für die dort internierten Menschen wird sich damit wahrscheinlich leider nicht viel ändern», erklärt Aldrovandi.

Uiguren unter Generalverdacht: Angehörige der muslimischen Minderheit werden aus den verschiedensten und oft auch willkürlichen Gründen interniert, wie Aldrovandi von Uiguren erfuhr: Arabische Zeichen auf dem Handy, Gespräche mit ausländischen Journalisten und die mangelhafte Beherrschung der chinesischen Sprache können bereits zur Verhaftung führen.

Die totale Überwachung: Die rund zehn Millionen Uiguren in der Region Xinjiang leben laut Aldrovandi in Angst. Viele haben Familienmitglieder oder Verwandte in solchen Umerziehungslagern und wissen nicht, wann diese wieder zurückkommen. Moscheen werden kontrolliert. Vor kleinen Supermärkten und traditionellen Märkten werden Uiguren mit Metalldetektoren kontrolliert. Polizei, Militär, Paramilitär und Mitglieder von Bürgerwehren sind vor allem im Süden allgegenwärtig. Selbst in Taxis werden Passagiere und Fahrer mit Kameras überwacht.

Kampf gegen Terrorismus: Chinas Regierung stellt sich auf den Standpunkt, dass die Region mehr Stabilität brauche und begründet das auch mit dem Kampf gegen Terrorismus und Extremismus. Auch sollen separatistische Bewegungen auf jeden Fall verhindert werden. Was stimmt: Es gab in der Vergangenheit Anschläge, und es soll auch Uiguren geben, die in der Terrororganisation des Islamischen Staates IS tätig sind oder waren. «Das gilt aber nicht für die Mehrheit der Uiguren. Diese fühlen sich ungerecht behandelt», so Aldrovandi.

Kein Problem mit Lagern: Für China sei das nicht unbedingt ein Widerspruch, sich als Weltmacht darzustellen und gleichzeitig auf dem eigenen Territorium Internierungslager zu betreiben, stellt Aldrovandi fest. «China betont immer wieder, man mische sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder nicht ein und verlangt das auch vom Ausland, vor allem bei Menschenrechtsthemen.»

Langjährige Krisenregion Xinjiang

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Die Provinz Xinjiang gilt wegen der Spannungen zwischen den Uiguren und den Han-Chinesen seit langem als Konfliktherd. Nach blutigen Unruhen 2009 und einer Reihe von Terroranschlägen greifen die Sicherheitskräfte hart durch. Die Uiguren beklagen politische, wirtschaftliche und religiöse Unterdrückung, während ihnen die Chinesen Separatismus vorwerfen. Nach ihrer Machtübernahme 1949 in Peking hatten die Kommunisten die Region der Volksrepublik einverleibt, was auf Widerstand stiess.

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