SRF: Was ist Ihnen gestern durch den Kopf gegangen, als sie von Witaly Mutkos Rücktritt gehört haben?
Hajo Seppelt: Aus meiner Sicht war das die Flucht nach vorn, um schlechte Nachrichten im Vorfeld der Fussball-WM im Sommer zu vermeiden. Es gab keine Alternative als sich Mutkos zu entledigen.
Denn nach den Olympischen Winterspielen wird das Thema Doping in Russland weiter auf der Tagesordnung bleiben, weil Fussball aus Russland laut dem Bericht des Wada-Sonderermittlers McLaren eben auch Bestandteil des russischen Staatsdopings gewesen sind und Mutko dabei eine zentrale Rolle gespielt haben soll. Völlig klar, dass Mutko da die Schlagzeilen bestimmt hätte. Russland wollte das vermutlich vermeiden. Und auch die Fifa, so glaube ich, hat da entsprechend Druck gemacht.
Witali Mutko ist ein Mann der vielen Ämter. Zunächst wollte er nur sein Amt als Präsident des russischen Fussballverbands für sechs Monate ruhen lassen. Gestern der Rückzug als Chef-Organisator der WM. Warum dieser schrittweise Rückzug?
Ich sehe das nicht als schrittweisen Rückzug. Ich sehe das durchaus zusammenhängend. Zuerst klang es wie eine Charade vor der Weltöffentlichkeit, wie wir es im Fall des russischen Staatsdopings von allen Beteiligten auf sehr interessante Art und Weise erleben durften. In dem Fall war ja von sechs Monaten Pause die Rede. Dann wäre er wieder im Amt.
Dass das nicht ernst genommen werden konnte, lag auf der Hand. Der Druck der Fifa, diese Personalie aus den Schlagzeilen zu ziehen, war am Ende mitentscheidend dafür, dass Wladimir Putin vor der Frage stand, will ich weiterhin diese Negativschlagzeilen haben oder ein Bauernopfer setzen, wenn auch ein prominentes, damit ich erstmals Ruhe im Laden habe.
Der Druck der Fifa war am Ende mitentscheidend.
Also war für die Fifa die Figur Witali Mutko einfach nicht mehr haltbar?
Ich würde mal so sagen: Gianni Infantino hat vor kurzem bei der WM-Auslosung in Moskau neben Mutko gesessen, als er eine rund zehnminütige Suada losliess, quasi die ganze Welt lautstark kritisierte und sich fürchterlich aufregte über die angeblich ungerechtfertigten Dopingvorwürfe. Möglicherweise ist Infantino da auch zum letzten Mal klar geworden, dass diese Personalie nicht tragbar ist, eigentlich sogar peinlich ist. Insofern war es an der Zeit, die Notbremse zu ziehen, um Schlimmeres zu vermeiden.
Für Mutko rückt nun der bisherige Geschäftsführer Alexej Sorokin nach. Bringt er frischen Wind?
Man kann sich schwer vorstellen, dass überhaupt jemand frischen Wind bringen kann. Es kommen natürlich alle aus der Entourage von Mutko, respektive Putin. Man kann nicht erwarten, dass dort plötzlich Revolutionäre am Start sind, die das Schiff in eine ganz andere Richtung lenken.
Sorokin ist natürlich auch politisch verwurzelt. Insofern glaube ich nicht, dass sich da gross etwas ändert, zumal auch von ihm kein lautes, vernehmbares Wort zu hören war bezüglich eines Eingeständnisses des russischen Staatsdopings. Nun hat er halt einfach nicht soviel Negatives auf der Agenda und vor allem nicht auf der Liste der Verfehlungen wie es Mutko die letzten Jahre hatte. Insoweit ist es auch ein Befreiungsschlag für Russland, jetzt eine sehr belastete Personalie durch eine vergleichsweise unbelastete zu ersetzen.
Das Gespräch führte Melanie Pfändler