Am Anfang war ein Video. Ein weisser Südafrikaner beschwor darin seine Landsleute, dass sie sich unter keinen Umständen testen lassen dürften, denn die Stäbchen, mit denen die Abstriche durchgeführt würden, seien virenverseucht. In den Townships und Slums ging das Video viral und auch wenn der Mann mittlerweile verhaftet ist – der Schaden ist nicht gutzumachen.
Virus gegen Schwarze?
Viele Menschen wollen sich deswegen nicht testen lassen. Der Glaube, dass irgendjemand den Afrikanern böse will, ist in der schwarzen Bevölkerung tief verankert. Schon während der Aids-Pandemie waren viele überzeugt, dass das Virus bewusst auf die Schwarzen losgelassen worden ist. In Südafrika sind solche Theorien tief verwurzelt. Mit 7.7 Millionen Menschen leben hier die meisten HIV-positiven Personen der Welt.
So wie damals sind auch heute viele Menschen schlecht informiert.
Der Aids-Aktivist Lucky Masibuko ist seit 30 Jahren HIV-positiv. Er sieht Parallelen zwischen der HIV/Aids- und der heutigen Covid-19-Pandemie. «So wie damals sind auch heute viele Menschen schlecht informiert. Es geistern abstruse Vorstellungen herum und auch wenn die Regierung das Verbreiten von Fakenews bestraft, hat sie es nicht geschafft, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.»
Die Menschen haben stattdessen Panik. Die Angst vor Tests ist auch so gross, weil, wer einmal positiv getestet ist, von der Gemeinschaft verstossen werden kann. Eine Frau in einem Township bei Kapstadt wurde bereits aus dem Haus geworfen, nachdem sie positiv auf Covid-19 getestet worden war. «Der Mob kann dein Haus abbrennen, es wird heissen, dass du derjenige bist, der das Virus in die Nachbarschaft gebracht hat», sagt Student Shawn Sixhole, der sich in Soweto testen lässt – nicht auf Covid-19, sondern auf HIV/Aids.
Stigmatisierung ist in der Gesellschaft tief verankert.
Aktivist Masibuko kennt Stigmatisierung aus eigener Erfahrung. Er macht sich grosse Sorgen: «Das Stigma um HIV/Aids ist heute wesentlich kleiner als vor zehn Jahren, doch verschwunden ist es nicht. Stigmatisierung ist in der Gesellschaft tief verankert. Nun, mit Covid-19, das ungleich einfacher und schneller übertragen wird, kann es zu einer Stigmatisierungswelle kommen.»
Angst, Panik und keine wirkliche Alternative – einen Besuch bei einem westlich ausgebildeten Arzt können sich die meisten Menschen nicht leisten – führen dazu, dass noch mehr als bis anhin traditionelle Heiler aufsuchen. Wie bereits während der Aids-Pandemie versprechen sie auch heute Heilmittel, die hundertprozentig wirken würden. Sie behauptet, es gäbe ein Kraut, das auf dem Kilimanscharo wachse, das Covid-19 besiegen könne. Leider gäbe es aufgrund des Lockdowns keinen Nachschub.
Sie können Träger des Virus sein, sich geheilt fühlen und es unabsichtlich weiterverbreiten.
«Was die Menschen suchen, ist Hoffnung. Und die finden sie bei den meisten traditionellen Heilern. Dass eine Kräutermixtur ein Virus nicht vertreibt, müssen sie im Falle von Covid-19 unter Umständen nicht einmal merken, weil das Virus ja häufig nicht tödlich ist. Sie können Träger des Virus sein, sich geheilt fühlen und es unabsichtlich weiterverbreiten», befürchtet Lucky Masibuko.
Da es um das Gesundheitswesen in Südafrika schlecht bestellt ist und die Mittel fehlen, es für Covid-19 auf die Schnelle aufzurüsten, befürchtet der Aktivist das Schlimmste. Nicht für sich, sondern für die mittellose Bevölkerung von Südafrika.