Dienstag, 11. Februar, 12 Uhr: Ganz Schweden steht still und schweigt. In Örebro – gut 200 Kilometer westlich von Stockholm – haben sich Tausende Menschen auf dem Stortorget, dem zentralen Platz der siebtgrössten Stadt Schwedens versammelt. Sie gedenken der Opfer, den Verletzten und Angehörigen der blutigen Schulattacke vor einer Woche.
Am 4. Februar war mittags ein 35 Jahre alter Mann aus Örebro, ein ehemaliger Schüler der Bildungsstätte für Erwachsene, schwerbewaffnet in den Campus Risbergska im Westen der Stadt eingedrungen. Innerhalb von 15 Minuten gab er mindestens 50 Schüsse ab und brachte zehn Menschen um. Sie waren zwischen 28 und 68 Jahre alt. Acht von ihnen sind als Flüchtlinge nach Schweden gekommen.
Tatmotiv bleibt unklar
Der Täter war den Behörden unbekannt, galt als Einzelgänger und schloss seinen Schulgang ohne gültige Zeugnisse ab. Er lebte in den letzten 15 Jahren alleine in einer Zweizimmerwohnung im Zentrum von Örebro und verfügte über vier Waffenlizenzen. Ein bestimmtes Motiv konnte dem Massenmörder bislang nicht nachgewiesen werden.
Erst nach einer Stunde gelang es der Polizei, die schon wenige Minuten nach den ersten Hilferufen vor Ort war, die Situation unter Kontrolle zu bekommen: «Ich habe in meiner über dreissigjährigen Laufbahn noch nie so schlimme Szenen gesehen, ich spürte den Schrecken und das Böse», sagte Einsatzleiter Lars Bröms.
Für die Lehrerin Camilla Hansén, die Örebro im schwedischen Parlament vertritt, war der Tag des Anschlages von einem Gefühl der Unwirklichkeit geprägt. Sie befand sich zum Zeitpunkt des Anschlages bei einem Treffen im Rathaus von Örebro: «Zuerst kam der Alarm, dann die grosse Unsicherheit und schliesslich der Schock über das Ausmass des Anschlages», erzählt Camilla Hansén.
Ihr Mann unterrichtet als Lehrer und ihre beiden Kinder besuchen als Schülerinnen ebenfalls in Örebro Schulen. Ende des letzten Jahres hatten sie ein solches Szenario eingeübt: «An allen Schulen der Stadt und auch bei den Behörden wurde ein solches Szenario geübt. Wir waren also vorbereitet», sagt Camilla Hansén, die sich heute für die Schweigeminute wieder im Parlament im Stockholm einfand.
Kronprinzessin Victoria: «Es ist so furchtbar»
In Örebro ist im Westen der Stadt eine spontane Gedenkstätte entstanden. Tausende von Kerzen, Blumen und Gedenkworten breiten sich vor dem Campus Risbergska aus – umgeben von trauernden Menschen.
Auf dem Weg zu einem Gedenkgottesdienst macht auch die schwedische Kronzprinzessin Victoria Halt beim Kerzenmeer und erklärt gegenüber SRF, dass es ihr bis heute sehr schwerfalle, Worte für diese Gewalttat zu finden: «Es ist so furchtbar, aber gleichzeitig spüre ich auch einen neuen fantastischen Zusammenhalt in diesem Land, Menschen kümmern sich um Menschen».
Nach diesen ersten Tagen des Schocks und der Trauer steht Schweden vor einer schwierigen Zeit der Aufarbeitung: Noch sind viele Fragen zum Täter ungeklärt.
Proteste von Jagenden
Ein Vorschlag der bürgerlichen Regierung, den Zugang zu gewissen Waffentypen – wie sie bei der Schulattacke zur Anwendung kamen – einzuschränken, hat bereits zu heftigen Protesten aus Kreisen der über 600'000 lizenzierten Jägerinnen und Jäger geführt.
Viele davon haben ihre Stimmen bei der letzten Wahl den nationalkonservativen Schwedendemokraten gegeben, auf deren Unterstützung im Parlament die Regierung von Ministerpräsident Ulf Kristersson angewiesen ist.