Wenn die Nerven ohnehin blank liegen, erhöht jeder aggressive Akt, egal ob bloss angekündigt oder ausgeführt, die Spannungen am Persischen Golf. Die Attacken auf Schiffe, die Urananreicherung, Teherans Drohung, das Atomabkommen künftig zu missachten, der Drohnenabschuss oder die US-Truppenaufstockung in der Region. Und nun die offenbar geplanten, aber dann doch nicht ausgeführten Angriffe auf iranische Ziele – zumal Washington, indem es sie weder bestätigt noch bestreitet, natürlich bewusst das Signal aussendet, grundsätzlich wäre man dazu bereit. All das ist brandgefährlich.
Die Wahrscheinlichkeit eines ausgewachsenen Krieges zwischen dem Iran und den USA steigt zwar, ist aber weiterhin eher gering. Selbst in Israel, wo viele den Iranern fast alles Schlechte zutrauen, geht man vorläufig nicht davon aus, dass sie einen Krieg mit den USA vom Zaun brechen wollen. Zu gross wären auch für das Mullah-Regime die Risiken.
Die Israelis sind überzeugt, dass der Iran sein Ziel, regionale Vormacht im Nahen Osten zu werden, auch ohne Krieg erreichen kann: Mit Nadelstichen, mit seinen schiitischen Verbündeten im Irak, in Syrien, im Libanon, in Jemen. Und mit der Destabilisierung der Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabiens.
Erfolgsaussichten für USA ungewiss
In den USA wiederum stehen zwar Leute wie Sicherheitsberater John Bolton auf dem Gas, hingegen das Pentagon, das Militär, heftig auf der Bremse. Wie schon vor eineinhalb Jahren als Präsident Trump Nordkorea mit der Vernichtung drohte, wie schon seit langem im Fall Syrien. So auch jetzt wieder. Die Generäle wissen zwar um die enorme militärische Überlegenheit der USA gegenüber dem Iran, das zwar markig auftritt, militärisch aber schwach ist. Aber sie wissen auch: Den Iran nachhaltig zu besiegen wäre wohl weitaus schwieriger und langwieriger als seinerzeit der Krieg gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein.
Also auch für die US-Militärführung gilt: Die Risiken wären hoch, die Erfolgsaussichten ungewiss. Zudem ist vielen US-Politikern, gerade auch Republikanern klar. Der Appetit der amerikanischen Öffentlichkeit auf militärische Abenteuer tausende von Kilometern von den USA entfernt ist zurzeit ausgesprochen gering. Die US-Rüstungsindustrie mag das anders sehen. Aber solange Trump auch ohne einen neuen Krieg aufrüstet und seine Verbündeten zur Aufrüstung nötigt, laufen die Geschäfte ohnehin gut.
Auch begrenzte Operationen bergen Risiken
Kurz: Es dürfte einstweilen bei den Nadelstichen bleiben, beim «tit for tat», also beim «wie du mir, so ich dir». Kleine Schläge und Gegenschläge. Auch jetzt, bei dem, laut der «New York Times», geplanten, aber nicht durchgeführten US-Angriff, hätte es sich nicht um den Beginn einer Grossattacke gegen den Iran gehandelt.
Für eine solche bräuchte es wochenlange Vorbereitungen, müssten zehn-, wenn nicht hunderttausende von Soldaten mobilisiert werden. Solche Vorkehrungen bleiben in einer Demokratie wie den USA unmöglich geheim. Wahrscheinlicher ist, dass man im Weissen Haus an einzelne Raketenangriffe dachte, möglicherweise auf iranische Ziele oder solche iranischer Verbündeter in Syrien.
Allerdings sind auch solche militärisch eng begrenzten Operationen stets mit dem Risiko verbunden, letztlich zu einer ungewollten Eskalation zu führen. Was sich am Persischen Golf zurzeit abspielt, dürfte daher immer wieder und noch lange Anlass zur Sorge sein.