Darum geht es: Nach dem Auseinanderbrechen der Ampelkoalition steht Deutschland möglicherweise vor vorgezogenen Neuwahlen. Olaf Scholz hat sich dazu bereit erklärt, die Vertrauensfrage möglicherweise noch vor Weihnachten zu stellen – und somit den Weg für Neuwahlen freizumachen.
Vorteile von früheren Neuwahlen für die Union: Die Unionsparteien CDU und CSU liegen in Umfragen sehr weit vorne. Sie wollen diese guten Umfragewerte möglichst rasch in Wählerstimmen verwandeln. Auch, weil ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz, der CDU-Vorsitzende, im längeren Wahlkampf noch Fehler machen könnte, erklärt Claudia Kade. Sie leitet das Ressort Politik bei der deutschen Tageszeitung «Die Welt».
Vorteile von früheren Neuwahlen für die AfD: Laut aktuellen Umfragen gilt die AfD als zweitstärkste Kraft. Sie könnte darauf hoffen, dass ihr derzeitiges Umfragehoch sich auch in einem starken Wahlergebnis widerspiegeln würde. Die anderen Parteien schliessen eine Koalition mit der AfD klar aus.
Vorteile von früheren Neuwahlen für die Wirtschaft: Frühere Neuwahlen könnten auch für die deutsche Wirtschaft vorteilhaft sein, unabhängig von Parteistrategien, sagt Kade. Die Ampelregierung war in den letzten Monaten kaum in der Lage, notwendige wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen. Und eine neue Regierung müsse sich auch erst finden. Je früher dieser Prozess beginnt, desto eher könnten wichtige Massnahmen zur Stärkung der Wirtschaft beschlossen werden.
Nachteile von früheren Neuwahlen für die SPD: Für Olaf Scholz und die SPD wäre der Zeitpunkt ungünstig: «Scholz will das schlechte Image, das er als Ampelkanzler in den Umfragen hat, loswerden. Er will das Gezerre zwischen SPD, Grünen und den Liberalen hinter sich lassen und Zeit gewinnen, um sich als starken Kanzler zu präsentieren. Und er will zeigen, dass er mit den Grünen zusammen stabiler agieren kann, wenn er die Union bei einzelnen Regierungsprojekten auf seine Seite zieht, als es zusammen mit den Liberalen der Fall war», erläutert Claudia Kade.
Nachteile von früheren Neuwahlen bezüglich Organisation: Es gibt Bedenken bezüglich der organisatorischen Herausforderungen. Einige Städte und Gemeinden haben immer wieder Schwierigkeiten, Wahlhelfer zu finden. Es muss auch überprüft werden können, ob die Wahlen korrekt ablaufen. Auch deshalb hat die Bundeswahlleiterin am Wochenende davor gewarnt, eine vorzeitige Wahl überstürzt anzugehen. Kritiker werfen der Wahlleiterin eine Nähe zur SPD-geführten Regierung vor. Denn sie untersteht dem Bundesinnenministerium, welches von der SPD geführt ist.
Das wird diese Woche erwartet: Am Mittwoch wird Bundeskanzler Scholz seine Regierungserklärung verlesen. Die CDU/CSU fordert, dass der Kanzler dann schon die Vertrauensfrage stellt. Claudia Kade sieht dies jedoch skeptisch: «Ich glaube nicht, dass das passiert. Scholz wird eher einen Fahrplan präsentieren.» Zudem hat er die Entscheidung den beiden Fraktionsvorsitzenden der SPD und der Union überlassen.