Haiti wurde am Samstag von einem Erdbeben der Stärke 7.2 auf der Richterskala getroffen. Die Zahl der Toten ist inzwischen auf 1400 gestiegen. Die Bergungsarbeiten laufen an. Gleichzeitig wächst die Angst vor einem Wirbelsturm, der sich der Insel Hispaniola nähert. Esther Belliger, Koordinatorin von Helvetas für Lateinamerika und die Karibik, ist in La Paz in Bolivien und beobachtet die Situation von dort aus.
SRF News: Wie ist die Lage in Haiti?
Esther Belliger: Die Lage vor Ort, insbesondere im Süden Haitis, ist dramatisch. Man spricht von über 1400 Toten, vielen Tausenden Verletzten und unzähligen Vermissten. Schulen, Häuser, Spitäler wurden zerstört. Die Folgen sind noch nicht absehbar. Die Bilder aus Haiti haben Erinnerungen an das schwere Erdbeben vor elf Jahren geweckt.
Wie geht es den Menschen im Süden und was brauchen sie am dringendsten?
Den Menschen geht es nicht gut. Wieder trifft die Katastrophe die Ärmsten der Armen. Haiti gilt als ärmstes Land der westlichen Hemisphäre und denjenigen, die bisher schon nichts hatten, wird die Existenzgrundlage genommen.
Wie sieht es aus mit den einfachsten Bedürfnissen wie Wasserversorgung, Elektrizität, Nahrung, medizinische Hilfe?
Derzeit fehlt es an allem. Die Spitäler sind überlastet. Sie können keine weiteren Menschen aufnehmen. Auch Notunterkünfte sind überbelegt. Es geht jetzt darum, einen ersten Überblick über die aktuelle Lage zu bekommen und dann sofort Nothilfe zu leisten.
Derzeit fehlt es an allem.
Dringend notwendig ist die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung, einer sicheren Unterkunft und der nötigsten Mittel des täglichen Bedarfs.
Ein Wirbelsturm nähert sich der Insel. Wie kann man sich unter diesen Umständen darauf vorbereiten?
Das ist sehr schwierig. Glücklicherweise schwächt sich der Wirbelsturm derzeit etwas ab. Aber am Abend wird mit heftigen Regenfällen im ganzen Land gerechnet. Das dürfte die Rettungs- und Sucharbeiten, die derzeit auf Hochtouren laufen, noch zusätzlich erschweren.
Das Erdbeben trifft Haiti in einer politisch heiklen Situation. Was heisst das für das Land?
In Haiti gibt es kaum funktionierende staatliche Strukturen, um schnelle Erste Hilfe zu leisten. Das ist im Moment katastrophal. Der Karibikstaat ist in einer schweren politischen Krise. Der Präsident wurde vor rund einem Monat ermordet und das Land wird derzeit von einer Übergangsregierung geführt.
Die schwierige politische Situation könnte auch die Arbeit von Helfern gefährden oder erschweren.
Kriminelle Banden sorgen zusätzlich für ein Klima der Unsicherheit. Diese schwierige politische Situation könnte auch die Arbeit von Helferinnen und Helfern gefährden oder erschweren. Glücklicherweise konnte ein Korridor für humanitäre Hilfe geschaffen werden, um zumindest die notwendigen Mittel und Güter aus der Hauptstadt in die betroffene Region zu transportieren.
Wie arbeitet Helvetas unter diesen Umständen vor Ort?
Wir evaluieren in Koordination mit unseren Partnern die Situation, um einen Überblick über benötigte Güter zu erhalten. Zusammen mit unseren Partnern leisten wir Erste Hilfe. Glücklicherweise sind wir mit unseren Teams bereits in der Region. Wir sind im Austausch mit der Deza, um mögliche Interventionen gemeinsam durchzuführen.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.