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Nach den Landtagswahlen Wie viel Macht hat die Regierungschefin in Liechtenstein?

In Liechtenstein gibt es einen Wechsel an der Regierungsspitze. Die bürgerliche Vaterländische Union bleibt die stärkste Kraft. Deren Spitzenkandidatin Brigitte Haas dürfte somit als erste Frau neue Regierungschefin von Liechtenstein werden. Jetzt beginnen die Koalitionsverhandlungen zur Regierungsbildung. Doch wie viel Macht hat eine Regierungschefin in Liechtenstein? Politologe Thomas Milic ordnet ein.

Thomas Milic

Politologe

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Milic ist Forschungsleiter Politik am Liechtenstein-Institut.

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Wie viel Macht hat die Regierungschefin in Liechtenstein?

Die Kompetenzen eines liechtensteinischen Regierungschefs oder einer Regierungschefin liegen irgendwo zwischen einem Schweizer Bundespräsidenten und einem deutschen Bundeskanzler. Er oder sie hat mehr als eine rein repräsentative Funktion und besitzt beispielsweise die Stichentscheidkompetenz oder den Vorsitz in der Regierung. Aber sie kann, anders als ein deutscher Bundeskanzler, zum Beispiel keine Minister ernennen oder entlassen.

Dem inhaltlichen Manövrierraum sind Grenzen gesetzt.

Wie stark kann die Regierungschefin in Liechtenstein die Politik prägen?

Sie hat mehr Gestaltungsspielraum als ein Schweizer Bundespräsident. Aber es gibt gewisse Grenzen. Die Regierung ist doppelt abhängig: vom Fürsten und vom Parlament. Beide könnten sie per Misstrauensvotum absetzen. Zudem gibt es in Liechtenstein eine ausgeprägte direkte Demokratie. Referenden können Regierungsvorhaben stoppen. Dem inhaltlichen Manövrierraum sind Grenzen gesetzt.

Hat also der Fürst mehr Macht hat als die Regierungschefin?

Die Kompetenzen des Fürsten sind weitgehend, er ist das Staatsoberhaupt Liechtensteins. Der Fürst ernennt die Regierung und kann diese auch absetzen. Er kann auch den Landtag auflösen und jedes Gesetz muss von ihm sanktioniert werden. Seine Kompetenzen werden manchmal mit denen eines französischen Staatspräsidenten verglichen. Aber von diesen wird sehr selten Gebrauch gemacht. Nur einmal in den 50er-Jahren wurde nach einem Abstimmungsentscheid die Sanktion verweigert und nur ein Regierungsmitglied wurde je abgesetzt.

In den letzten Jahrzehnten kamen die Regierungschefs fast immer aus den gleichen zwei Parteien: die Vaterländische Union (VU) oder die Fortschrittliche Bürgerpartei (FBP). Hat Liechtenstein ein sehr stabiles politisches System?

Ja, sie hat ein enorm stabiles Regierungssystem und politisches System. Es gibt zwar relativ häufig Mehrheitswechsel in der Regierung, aber nur zwischen den beiden Grossparteien. Und die beiden Parteien unterscheiden sich auch ideologisch nicht allzu stark.

Zwei Personen schütteln Hände in einem Café.
Legende: Siegerin Brigitte Haas (VU) mit Verlierer Ernst Walch (FBP) nach dem Sieg ihrer Partei bei den Landtagswahlen im Fürstentum Liechtenstein. Keystone/Walter Bieri (09.02.2025)

Was bedeutet dieser Regierungswechsel für die Schweiz?

Die Beziehungen zur Schweiz sind ausgezeichnet. Die Schweiz und Liechtenstein sind mit einem Zollvertrag miteinander verbunden. Ich würde sagen, dass sich für die Schweiz gar nichts ändert. Es gibt eine personelle Änderung, aber nicht, was die Parteicouleur anbelangt. Insofern gibt es keine Auswirkungen für die Schweiz.

Das Gespräch führte Romana Kayser.

SRF 4 News, 10.02.2025, 10:33 Uhr ; 

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