Das estnische Wahlresultat ist ein Signal für die bevorstehenden EU-Parlamentswahlen Ende Mai: Sogar in einem Land, das bislang zu den europafreundlichsten gehörte, hat eine Partei massiv an Stimmen hinzugewinnen können, welche den EU-Austritt im Programm hat und sich an der Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban orientiert.
Knapp 18 Prozent der Esten stimmte für die nationalkonservative EKRE-Partei unter Parteichef Martin Helme. Das deutliche Signal aus Estland zeigt aber auch, dass eine überwiegende Mehrheit von über 80 Prozent der Wähler am EU-positiven Kurs festhalten möchte.
Estland wieder in Frauenhand
Erstmals in der Geschichte des seit 1991 wieder unabhängigen Estlands dürfte das kleine baltische Land in den kommenden vier Jahren von einem Frauenduo regiert werden.
Neben Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid hat nun die Chefin der siegreichen liberalen Reformpartei, Kaja Kallas, gute Chancen, das Amt der Ministerpräsidentin zu übernehmen.
Ihre Partei verfügt neu über gut einen Drittel der Sitze im Riigikogu, dem estnischen Einkammerparlament. Möglich ist nun eine grosse Koalition der beiden führenden Parteien.
Konflikt mit Russischstämmigen
Wichtigste Streitpunkte im Wahlkampf zwischen der liberalen Reform- und der linksgerichteten Zentrumspartei waren die Steuerpolitik und die Integration der grossen russischsprachigen Minderheit im Land.
Es geht dabei um die Frage, ob es künftig nur noch einsprachige Schulen geben soll, an denen Estnisch gesprochen wird, oder ob wie bisher in den überwiegend russischsprachigen Gebieten im Nordosten Estlands Russisch als erste Unterrichtssprache gelten soll.