In den USA möchte sich Joe Biden auf seine Präsidentschaft vorbereiten. Der Zutritt zum Weissen Haus bleibt ihm aber vorläufig verwehrt, obwohl er diesen bräuchte. Die entsprechende Behörde betrachtet ihn noch nicht als Wahlsieger, weil Nachzählungen anstehen und Klagen vonseiten von Donald Trump offen sind. Die SRF-Korrespondentin Isabelle Jacobi im Gespräch über den Schwebezustand in Washington.
SRF News: Was ist das für eine Behörde, die den Zugang zum Weissen Haus regelt?
Isabelle Jacobi: Das ist die General Services Administration (GSA), die Regierungs-intern für die Gebäude, Technik und Dienstleistungen zuständig ist. Sie gibt den Startschuss für die Regierungsübergabe, indem sie das Wahlresultat in einem Brief anerkennt. Das war bisher eine reine Formalität, aber die derzeitige Chefin Emily Murphy tut das bis jetzt nicht. Sie sagt, sie werde es tun, sobald klar sei, wer der neue Präsident sei. Wann das sein wird, hat sie nicht gesagt. Murphy braucht dazu übrigens nicht die Erlaubnis von Präsident Trump, aber sie zeigt sich loyal und hält bisher allen Druckversuchen stand.
Könnte Murphy Biden den Zutritt zum Weissen Haus gewähren, auch wenn das endgültige Resultat noch fehlt?
Ja, es ist sehr wichtig, dass die Regierungsübergabe nahtlos ist. Es ist auch eine Frage der nationalen Sicherheit: Joe Biden erhält erst ein Briefing durch die Geheimdienste, wenn die offizielle Übergangszeit beginnt. Das ist bis jetzt nicht geschehen, und das ist unüblich.
Im Jahr 2000 etwa, als der Wahlstreit in Florida ausbrach, erhielt George Bush Zugang zu den Geheimdienst-Informationen. Trotzdem war die Übergabe damals unordentlich, nicht wenige Stimmen behaupten, dass es deshalb sieben Monate später zu den Anschlägen vom 11. September kommen konnte.
Was für ein Übergangs-Team hat Biden zusammengestellt?
Er legt Wert auf Diversität. Die Hälfte seiner sogenannten Lande-Truppe sind Frauen, rund 40 Prozent sind Minderheiten, die bisher in der Regierung untervertreten sind. Biden sagt, er wolle eine Regierung bilden, die aussieht wie Amerika. Aber sein engster Zirkel sind dann doch die alten Freunde. Das zeigt die Ernennung von Ron Klain als Stabschef und von Ted Kaufman als Co-Leiter der Transition – zwei Männer, die ihm seit Jahrzehnten nahestehen.
Derweil überzieht Trump das Land mit Klagen. Was ist seine Strategie?
Diese wandelt sich gerade. Bisher griffen Trumps Anwälte vor allem den Wahlprozess an, also zum Beispiel, wie die Staaten die Briefwahl organisierten. In den jüngsten Klagen geht es nun direkt um den Verdacht von Wahlbetrug, vor allem in Pennsylvania und Michigan. Die Anwälte stützen sich dabei auf Zeugenaussagen von Wahlbeobachtern aus ihren Reihen, die behaupten, sie hätten illegales Verhalten bei der Auszählung gesehen oder davon gehört.
Ziel von Trumps Anwälten ist es, die Bundesstaaten, in denen Biden knapp gewonnen hat, daran zu hindern ein Wahlergebnis zu rechtzeitig zu zertifizieren.
Das sind dutzende Fälle, die nun durch die juristischen Instanzen wandern. Das Ziel ist es, die Bundesstaaten, in denen Biden knapp gewonnen hat, daran zu hindern, ein Wahlergebnis zu rechtzeitig zu zertifizieren. Dann kämen die republikanischen Parlamente zum Beispiel in Pennsylvania, oder Michigan zum Einsatz, und würden die Elektoren bestimmen – pro Trump.
Wie wahrscheinlich ist ein solches Szenario?
Man kann davon ausgehen, dass die Chancen gering sind. Um einen solchen Eingriff ins Wahlrecht juristisch zu rechtfertigen, müsste es einen happigen Tatbestand geben. Und der fehlt bis jetzt. Es sind Einzelereignisse, die das Trump-Team geltend macht, nicht systematischen Wahlbetrug.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.