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UNRWA-Direktor Krähenbühl: «Das Hauptproblem ist nicht die UNRWA»
Aus Echo der Zeit vom 19.05.2018. Bild: Keystone
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Nach Kritik an UNO-Hilfswerk «Die UNRWA existiert, solange der Konflikt nicht gelöst ist»

Aussenminister Ignazio Cassis hat diese Woche in diplomatischen Kreisen für hochgezogene Augenbrauen gesorgt. In einem Interview kritisierte er das UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge UNRWA heftig. Nach einer internen Aussprache folgte am Freitag die Replik des Bundesrates: Es sei kein Kurswechsel vorgesehen. Der Chef der Organisation, Pierre Krähenbühl, reagiert auf die Kritik von Cassis.

SRF: Der Bundesrat hat gestern betont, man bleibe bei der bisherigen Nahostpolitik und auch bei der Unterstützung der UNRWA. Aber Ignazio Cassis ist Aussenminister und er prägt die Aussenpolitik der Schweiz. Befürchten Sie langfristig nicht eine Veränderung der Nahostpolitik der Schweiz?

Pierre Krähenbühl: Ich will da nicht spekulieren. Das muss die Schweiz natürlich selber bestimmen. Ich glaube nur, wenn man sich die Lage im Moment im Mittleren Osten anschaut und ganz realistisch betrachtet, ist da wirklich ein Spannungsfeld, das man sich kaum vorstellen kann.

Da ist es wichtig, dass man sich weiterhin einmischt und engagiert für politische Konflikt-Resolution. Das ist das Hauptthema. UNRWA existiert nur weiterhin, weil es zu keiner Lösung gekommen ist, in den Bemühungen den Konflikt zwischen Israel und Palästina zu lösen. Sonst wäre UNRWA überhaupt gar nicht mehr da. Das wurde so bestimmt – auch von der Generalversammlung. UNRWA gibt es solange wie der Konflikt andauert, weil es weiterhin notwendig ist, Unterstützung zu leisten: Bildung, Gesundheit und Nothilfe.

Bundesrat Cassis sagt, ihre Organisation sei ein Teil des Problems und verhindere eigentlich, dass Frieden zwischen Israel und den Palästinensern herbeigeführt werden kann. Das ist ein harter Vorwurf. Was erwidern Sie?

Das ist eine überraschende Äusserung. Natürlich habe ich dazu eine andere Perspektive. Wir leisten möglicherweise einen der wichtigsten Beiträge zur menschlichen Entwicklung in der Region und einen Beitrag zur regionalen Stabilität. Ganz klar zum Ausdruck gebracht hat das zum Beispiel die jordanische Regierung.

Insofern muss man UNRWA weiter beteiligen. Man darf gerne einen kritischen Dialog mit UNRWA führen. Wir versuchen uns immer zu verbessern, wie andere Organisationen auch. Aber im Moment ist das Hauptproblem in der Region nicht UNRWA. Das Hauptproblem ist die Tatsache, dass die Parteien sich nicht einigen können, dass der Dialog nicht mehr fortgeführt wird, dass es eine zunehmende Polarisierung gibt. Und das ist ein Risiko für die ganze Region und auch für Europa.

Fakt ist, zu Beginn der Arbeit der UNRWA waren es um die 700'000 palästinensische Flüchtlinge. Heute sind es über 5 Millionen. Hat Ignazio Cassis nicht Recht, wenn er sagt, dass es absolut illusorisch sei, dass diese Menschen zurückkehren können. Müsste es eben nicht realistische Ziele als Basis für einen Friedensvertrag geben in der Region?

Der Grundkonsens der internationalen Gemeinschaft ist eine Zwei-Staaten-Lösung. Gäbe es eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem unabhängigen palästinensischen Staat, dann hätten die palästinensischen Flüchtlinge die Perspektive, die Wahl in einen unabhängigen palästinensischen Staat zu investieren. Das wäre ihre Zukunftsperspektive.

Man muss UNRWA jetzt nicht Sachen vorwerfen, für die wir überhaupt keine Verantwortung haben. Wir bestimmen nicht die Fragen in Bezug zur Politik, wir bestimmen humanitäre Fragen. Wir engagieren uns, weil die Politik im Moment gescheitert ist, die Zweistaatenlösung – weil das der internationale Konsens ist –, herbeizubringen.

Der Druck auf ihre Organisation ist in den letzten Jahren gewachsen, einerseits von Aussen, andererseits aber auch durch interne Probleme, die publik wurden. Wie beispielsweise UNRWA-Mitarbeiter, die sich öffentlich antisemitisch geäussert hatten. Das haben Sie unter ihrer Leitung erlebt. Wie sehen Sie ihre Aufgabe als Leiter der UNRWA in der Zukunft?

Ich engagiere mich mit sehr viel Überzeugung und sehr viel Stolz. Wenn sie sehen, dass UNRWA beispielsweise in Syrien seit Beginn des Konflikts 20 Kollegen verloren hat und 25 Personen vermisst werden, zeugt das von einer Organisation, die keine UNO-Bürokratie ist, sondern sich in den schwierigsten Kontexten des Mittleren Osten engagiert für menschliche Würde.

Ich werde es nie zulassen, dass man UNRWA gebraucht für Gewaltgespräche oder Antisemitismus. Da haben wir eine Untersuchung durchgeführt. Wir haben auch Leute entlassen, als es notwendig war. Das werden wir auch weiterhin machen. Wir werden uns immer engagieren, so dass UNRWA den Werten der Vereinten Nationen entspricht.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

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