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Nach tödlichem Jagdunfall Frankreichs Jäger im Fadenkreuz

Die Prüfung ist zu leicht und ihre Lobby zu stark. Das sind nur zwei der Gründe für die vielen Jagdunfälle in Frankreich.

Darum geht es: In Frankreich gibt derzeit ein Jagdunfall zu reden. Im Süden des Landes hat ein Jäger einen britischen Mountainbiker tödlich getroffen – bei schönem Wetter und klarer Sicht. Und das war nicht der einzige Jagdunfall in dieser Saison: Allein 2018 gab es bereits 13 Tote und über 100 Jagdunfälle. In 90 Prozent der Fälle sind die Opfer Jäger, die ihren Kollegen für Wild gehalten haben. Manchmal sind es aber auch Sportler wie der Moutainbiker.

Das sind die Gründe: SRF-Korrespondent Daniel Voll kritisiert die fehlende oder zumindest schlechte Ausbildung der Jäger. «Um einen Jagdschein zu erhalten, muss man eine Prüfung ablegen.» Zum Beispiel müsse man wissen, welche 89 Tierarten man in Frankreich jagen darf. «Diese Prüfung gilt dann ein Leben lang. Es gibt keine Wiederholungstests.» Und dann sei wohl auch viel Fahrlässigkeit im Spiel, glaubt Voll. «Es gibt immer wieder Klagen, dass Jäger zu nahe an Wohngebiete kommen und spielende Kinder getroffen werden.»

«Die Jagd, ein tödliches Problem»: Am 13. Oktober wurde in Paris gegen das Jagen demonstriert.
Legende: In Paris sind Mitte Oktober Tausende auf die Strassen gegangen, um gegen die Jagd zu demonstrieren. In einer Petition haben zudem fast 200'000 Bürgerinnen und Bürger gefordert, dass an Sonntagen nicht mehr in bewohnten Gebieten gejagt werden darf. Imago

So reagiert die Politik: Die Politik ist sehr vorsichtig gegenüber den Jägern. «Umweltminister François de Rugy weiss, dass die Jäger in Frankreich eine politisch gut organisierte Interessengruppe sind», erklärt der Korrespondent.

In Frankreich hat es so viele Jäger wie in keinem anderen europäischen Land.

Dass Umweltminister mit Jagdverbänden Konflikte austragen, war schon vor 20 Jahren so: «Die damalige Umweltministerin Dominique Voynet wurde von Jägern sogar tätlich angegriffen, weil sie die Jagd auf Zugvögel einschränken wollte», erinnert sich Voll. Damals waren die Jäger mit einer eigenen Partei im Parlament vertreten. «Aber die wichtigsten Gegner der Umweltministerin kamen aus der eigenen Regierungsmehrheit: Sie waren eben auch Jäger.»

Das sagt die Statistik: Jäger gibt es in allen Bevölkerungsschichten. Mit rund 89 Prozent sind die meisten von ihnen Männer. Die Hälfte ist älter als 55-jährig, bloss ein Drittel ist zwischen 16 und 44 Jahre alt. Insgesamt hat Frankreich über 1,2 Millionen registrierte Jäger. «Das sind so viele wie in keinem anderen europäischen Land», so Voll. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es nicht einmal ein Drittel so viele Jäger.

Viele Bauern haben einen Jagdschein, um gegen Wildschweine vorzugehen.

Das liege vor allem an der langen Tradition, erklärt er. Denn in Frankreich ist die Jagd seit 1844 ein allgemeines Bürgerrecht. Das heisst, sie ist nicht an Grundbesitz gebunden. Und: «Es gibt auch viele Bauern, die einen Jagdschein besitzen, um zum Beispiel gegen Wildschweine vorzugehen. Diese sind in bestimmten Regionen des Landes zur Plage geworden.»

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