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Nach Umsturz in Afghanistan China verstärkt seinen Einfluss auf Tadschikistan

China macht sich wegen der Lage in Afghanistan Sorgen um die eigene Sicherheit und erhöht den Druck auf das Nachbarland.

China macht sich wegen der aktuellen Lage in Afghanistan Sorgen. In Peking fürchtet man sich vor islamistischem Terror, vor allem durch Uiguren. Diese Angst manifestiert sich unter anderem in Tadschikistan, einem Land, das zwischen Afghanistan und China liegt. Letzte Woche wurde bekannt, dass Peking seinem Nachbarland einen Stützpunkt finanziert.

Die tadschikische Regierung beteuerte, China helfe nur mit Geld und Wissen. Betrieben werde die Basis durch tadschikische Sicherheitskräfte. Doch daran gibt es Zweifel. Tim Epkenhans, Professor am Orientalischen Seminar der Universität von Freiburg im Breisgau, hält es für möglich, dass chinesische Soldaten auf tadschikischem Boden im Einsatz sind.

Es bestehe schon relativ lange eine Sicherheitszusammenarbeit zwischen China und Tadschikistan, sagt er. «Unmittelbar nach der Auflösung der Sowjetunion sahen wir erste gemeinsame Kooperationsansätze, etwa im Rahmen der sogenannten ‹Shanghai Five›, der späteren Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit.»

Bereits seit zwei Jahren vor Ort

China unterhalte seit Ende 2019 eine Basis in Tadschikistan, so Epkenhans. Es habe schon gemeinsame Manöver gegeben. Allerdings wisse man nicht, wie viele Soldaten dort stationiert seien. «Bei dem Stützpunkt, um den es jetzt geht, handelt es sich vermutlich um einen Ausbildungsstützpunkt für Sondereinsatzkräfte, die etwa in der Grenzüberwachung oder der Terrorbekämpfung unterwegs sind.»

Deshalb könnte sein, so der Professor, dass für die Ausbildung dieser Sicherheitskräfte auch chinesische Offiziere vor Ort sind. Doch weder China noch Tadschikistan liessen Informationen darüber durchsickern.

«Gerade dieses chinesische Engagement könnte Befürchtungen zutage treten lassen, dass es sich hier tatsächlich um etwas handelt, was die eigentliche Souveränität des Staates Tadschikistan, also die Fähigkeit, die eigene Grenze zu kontrollieren und zu verteidigen, infrage stellt.»

Sind die Sorgen Chinas berechtigt?

China begründet das Engagement im Nachbarland damit, dass uigurische Extremisten aus Afghanistan via Tadschikistan nach China kommen könnten. Das sei nicht ganz unberechtigt, so Epkenhans: «Es gibt die islamische Partei Ostturkistans, die mit Al-Kaida affiliiert ist und wir sehen, dass die Taliban Probleme haben, mit diesen radikal-dschihadistischen Gruppen umzugehen und diese zu kontrollieren.»

Für lange Zeit sei diese Kontrolle durch die Nato-Präsenz in Afghanistan gegeben gewesen. «Und wir sehen jetzt, dass die Gefahr besteht, dass Afghanistan, vor allem die Peripherie, tatsächlich wieder zu einem Rückzugsort radikal-dschihadistischer Gruppen werden könnte.»

Wer sorgt künftig für Stabilität in der Region?

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Ob China in die Bresche der Nato springen und künftig für Stabilität in Zentralasien, speziell in Tadschikistan, sorgen könnte, ist eine Frage, die viele Beobachterinnen und Beobachter umtreibt. «Ich denke, dass China ein genuines Interesse an einer Stabilität ihrer Nachbarregionen hat», sagt Islamwissenschaftler Tim Epkenhans. «Und da gehören Afghanistan und Zentralasien halt mit dazu.»

Die Frage werde aber sein, ob China bereit ist, diese Interessen tatsächlich auch mit entsprechenden Truppenverlegungen durchzusetzen. «Wird China bereit sein, diese Aufgabe, die die Nato-Truppen über 20 Jahre erfüllt haben, zu übernehmen? Da bin ich eher skeptisch», so Epkenhans. China werde sich vor allen Dingen darauf zurückziehen, die Region durch Verhandlungen, durch Geld, durch Investitionen und auch durch Korruption zu beruhigen. «Ob das klappen wird, wird man sehen.»

Doch dass nun Tadschikistan tatsächlich ein Durchgangsort für diese Gruppen wird, bezweifelt er. «Wenn wir uns die Grenze zwischen Afghanistan und den nördlichen zentralasiatischen Anrainern anschauen – Tadschikistan hat eine 1700 Kilometer lange Grenze mit Afghanistan –, so muss man sagen, dass es an dieser Grenze lange Zeit relativ ruhig war.» Es habe zwar immer wieder kleinere Konflikte gegeben.

«Aber die waren in der Regel verbunden mit Formen der organisierten Kriminalität und insbesondere des Drogenschmuggels über die Nordroute», so Epkenhans. Politisch sei diese Grenze jedoch stabil.

Echo der Zeit, 04.11.2021, 18:00 Uhr ; 

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