Die Schweizer Stimmbevölkerung hat das Privileg, sich direkt in die Politik einbringen zu können. Viermal im Jahr stimmen wir über diverse Vorlagen ab. Für uns Schweizer gehört dies zum politischen Alltag. Dabei vergessen wir oft, dass auch andere Länder solche direktdemokratischen Instrumente kennen – wie die USA.
In den USA gibt es auf nationaler Ebene keine direkte Demokratie. Jeder Bundesstaat kennt eigene Regeln. Bei der Abstimmung im US-Bundesstaat Kansas handelt es sich um ein obligatorisches Referendum, ähnlich wie wir es hier in der Schweiz kennen. Wie in vielen US-Bundesstaaten müssen solche Verfassungsänderungen in Kansas durch die Stimmbürger gutgeheissen werden.
Grundsätzlich gibt es zwei Kategorien von direktdemokratischen Instrumenten, die sich anhand des Ausgangspunktes unterscheiden:
- Die sogenannten Volksbefragungen haben ihren Anfang bei der Legislative: Ein Parlament beschliesst eine Änderung und möchte/muss das Volk dazu befragen. Dies gibt es sowohl bei Verfassungsänderungen, als auch bei Anpassungen von Gesetzen.
- Die zweite Kategorie umfasst alle Anliegen, die direkt vom Volk initiiert werden. Dazu gehören wie in der Schweiz die Verfassungsinitiative und das fakultative Referendum. Einige Bundesstaaten kennen aber auch die Gesetzesinitiative, die es bei uns nicht gibt.
Die USA hat noch weitere Besonderheiten zu bieten. Beispielsweise erlaubt der Bundesstaat Nevada die sogenannte Gesetzesbestätigung.
Dabei können Unterschriften für ein bestimmtes, bereits existierendes Gesetz gesammelt werden. Wenn dieses Gesetz unter der Stimmbevölkerung eine Mehrheit findet, kann das Parlament dieses Gesetz nicht zurückziehen oder abändern, es sei denn, eine Mehrheit der Stimmbevölkerung stimmt zu.
Spezialfall Recall Election
Es kommt vor, dass US-Politiker die Gunst ihrer Wähler so stark verspielen, dass diese nicht bis zur nächsten Wahl warten wollen, um die Abwahl zu vollziehen. Für diese Fälle kennen viele Staaten eine sogenannte Recall Election. Dazu muss wie bei einer Initiative eine Mindestanzahl an Unterschriften gesammelt werden, damit die Rückruf-Wahl stattfinden kann.
Als beispielsweise der kalifornische Gouverneur im Jahr 2003, der Demokrat Gray Davis, die Reaktion auf die durch die Dotcom-Blase ausgelöste Rezession vermasselte, musste er sich einer verfrühten Abwahl stellen. So schafften es die Republikaner mit ihrem Star-Kandidaten Arnold Schwarzenegger im traditionell demokratisch-regierten Bundesstaat Kalifornien in die Villa des Gouverneurs.
Vorstösse für ein nationales Initiativrecht
In den frühen 2000er Jahren setzten sich der ehemalige US-Senator Mike Gravel und die non-profit NGO Democracy Foundation für eine Erweiterung der US-Verfassung ein, die das Initiativrecht auf nationaler Ebene einführen sollte. Doch weder die Kandidatur zur Präsidentschaft von Gravel im Jahr 2008, noch jene von Tom Steyer im Jahr 2020 verhalfen diesen direktdemokratischen Impulsen zum Durchbruch.
Ein Grund dafür mag sein, dass die US-Gründerväter ihren Staat nicht nur vor der Tyrannei eines mächtigen Individuums schützen wollten, sondern auch vor der Herrschaft des Pöbels, wie es James Madison ausdrücken würde.