- In Litauen hat die Präsidentenwahl begonnen.
- Rund 2.5 Millionen Stimmberechtigte sind aufgerufen, ein neues Staatsoberhaupt für die nächsten fünf Jahre zu bestimmen.
- Um die Nachfolge von Dalia Grybauskaite im höchsten Staatsamt des baltischen EU- und Nato-Landes bewerben sich neun Kandidaten.
- Erste Ergebnisse werden in der Nacht auf Montag erwartet.
Während Grybauskaite nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren darf, stehen die Chancen gut, dass eine Frau ihre Nachfolge antritt. Derzeit führt in den Umfragen die 44-jährige Ingrida Simonyte. Die frühere Wirtschaftsministerin wird von Litauens Konservativen unterstützt, auch wenn sie selbst kein Parteimitglied ist.
Simonyte ist bekannt für ihren scharfzüngigen Humor und ihre Unterstützung für die Gleichberechtigung von Homosexuellen – entsprechend gut kommt sie bei jungen, liberalen Stadtbewohnern an. Gleichzeitig warnt sie vor einer Spaltung des Landes in Stadt- und Landbevölkerung: «Wir können Vilnius nicht vom Rest des Landes isolieren», sagte Simonyte unlängst bei einem Wahlkampfauftritt.
Aufbrausendes Temperament im Weg
Ihr Mitbewerber Saulius Skvernelis ist der Kandidat der gemässigten Linken und amtierender Regierungschef. Der langjährige Polizist und frühere Innenminister ist vor allem für seinen Kampf gegen die Korruption im Land bekannt. Obwohl ihn die Union der Bauern und Grünen unterstützt, ist auch er nirgends Parteimitglied.
Der 48-Jährige hat grosszügige Investitionen in die Sozialsysteme angekündigt und hofft vor allem auf Stimmen aus der armen Landbevölkerung. Allerdings könnte ihm sein aufbrausendes Temperament im Weg stehen: Wiederholte Wortgefechte mit anderen Politikern und ein langwieriger Konflikt mit Präsidentin Grybauskaite nährten Zweifel, ob er nach einem Wahlsieg das Präsidentenamt mit der nötigen Würde ausfüllen kann.
Über Parteigrenzen hinweg
Der dritte im Bunde der aussichtsreichen Bewerber ist der unabhängige Kandidat Gitanas Nauseda. Der 54-jährige Wirtschaftswissenschaftler versprach im Wahlkampf den Aufbau eines «Wohlfahrtsstaats» und will sich für mehr Dialog zwischen unterschiedlichen sozialen Schichten einsetzen.
Nauseda gilt als moderat und hat sich innerhalb des vergangenen Jahrzehnts mit klaren Positionen zu Wirtschafts- und Finanzthemen einen Namen gemacht. Unterstützer sehen in ihm die Chance auf einen Präsidenten, der über den politischen Lagern steht.
Pro-europäische Ausrichtung
In den vergangenen Jahren ist das Einkommensniveau in Litauen um rund zehn Prozent gestiegen – ein aussergewöhnlicher Wert, der das durchschnittliche Bruttogehalt auf aktuell rund 970 Euro hochtrieb. Andererseits ist die Schere zwischen Arm und Reich weiter gross, das Steuersystem macht kaum Unterschiede zwischen Viel- und Geringverdienern. Entsprechend präsent war das Thema im Wahlkampf.
Die drei führenden Kandidaten eint ihre pro-europäische Ausrichtung. Dass der Präsident im politischen System Litauens auch für die Aussenpolitik zuständig ist, ist angesichts des mächtigen Nachbarlandes Russland besonders wichtig.