Die dilettantische Untersuchung hat Joe Bidens Sieg in Arizona bestätigt – doch sät gleichzeitig Zweifel. Es ist pure Desinformation mit Kalkül und so stellt sich die Frage: Soll überhaupt über eine Untersuchung berichtet werden, der die Voraussetzungen fehlen, um sie ernst zu nehmen? Die einem vorkommt wie ein aufwändig inszeniertes Theater für eine erfundene Geschichte, frei von Fakten?
In diesem Fall ja. Die Lüge vom Wahlbetrug hat in den USA viele Anhänger. Sie rüttelt an den Säulen der Demokratie. Mehrere republikanische Abgeordnete haben gegen die Zertifizierung von Joe Bidens Wahlsieg gestimmt. Ein Mob hat das Kapitol gestürmt. Die Lüge, verbreitet von Donald Trump und seinen Anhängern, ist mächtig geworden. Die Nachzählung in Arizona nährt sie weiter.
Freiwillige untersuchten monatelang
Monatelang haben die Firma Cyber Ninjas und freiwillige Helfer Wahlzettel in einer Mehrzweckhalle in Phoenix gezählt oder gescannt und auch Wahlmaschinen untersucht. Fast elf Monate nach der Präsidentschaftswahl verkünden sie nun, Joe Biden habe in Maricopa, dem Bezirk rund um Phoenix, mehr Stimmen erhalten als Donald Trump.
Damit wäre die Frage erledigt – beziehungsweise sie war längst erledigt. Gesetzlich vorgesehene Nachzählungen von einem Teil der Stimmen haben bestätigt, dass bei der Wahl alles korrekt abgelaufen ist und dies bereits kurz nach der Wahl.
Obskure Firma beauftragt
Doch da dies keine überparteiliche, gesetzlich vorgesehenen Nachzählung ist, aber immerhin von den Republikanern im Senat von Arizona in Auftrag gegeben wurde, an eine obskure Firma ohne Erfahrung mit Wahlen oder Nachzählungen, deren Chef bereits im Voraus als Anhänger der Lüge vom Wahlbetrug bekannt war, da das Ganze mit Millionen finanziert wurde von Anhängern von Donald Trump, aus all diesen Gründen ist die Frage nicht erledigt.
In ihrer Pressekonferenz säen der Cyber-Ninja-Chef Doug Logan und ein Dr. Shiva, der sich als Erfinder des Emails ausgibt, Zweifel am Wahlsystem. Sie präsentieren über Stunden angebliche Auffälligkeiten, die auf Twitter quasi live von der Wahlbehörde mit einer einfachen Erklärung komplett entkräftet werden. Eine nach der anderen fällt in sich zusammen.
Wahlfachleute reagieren entnervt
So etwa der Bezirkregisterführer von Maricopa Stephen Richer, der seit diesem Jahr zuständig ist für Wahlen und somit nichts mit den vergangenen Wahlen zu tun hatte. Er ist Republikaner und Trump-Wähler. Richer sagt, die Cyber Ninjas hätten das Wahlsystem nicht verstanden, der Bericht sei voller Fehler.
Doch nichts von dem dürfte die glühendsten Anhänger der Lüge vom Wahlbetrug erschüttern, die wohl kaum Faktenchecks konsultieren. Manche Republikanerinnen und Republikaner mögen sich tatsächlich in den Glauben an eine grosse Verschwörung hineingesteigert haben.
Andere halten mit dem Theater ihr Aushängeschild Donald Trump bei Laune, der viele neue Wählerinnen und Wähler mobilisierte, auf die sie nicht verzichten möchten.
Die Motive sind ganz andere
Das erklärte Ziel der Nachzählung ist es, die angeblich gefährdete Sicherheit der Wahlen zu verbessern und konkret die Wahlgesetze zu ändern. Dies geschieht bereits in mehreren Bundesstaaten. Oft erschweren diese Gesetzesänderungen das Wählen.
Dies dürfte vor allem manche demokratisch Wählende abhalten, befürchten die Demokratinnen und Demokraten. Man wünschte sich, die republikanische Partei würde nicht mit Theater, sondern mit ihrem politischen Programm Wahlen zu gewinnen versuchen.