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Nahost: Regionale Kooperation gegen Wassermangel hat es schwer
Aus Echo der Zeit vom 01.03.2024. Bild: Imago
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Nahost Wenn Wassermangel bloss Frieden stiften könnte

Wasser ist Mangelware, vor allem im Nahen Osten. Doch im Kontext des aktuellen Krieges in Gaza hat niemand wirklich Gehör für das Thema Wasserknappheit in der Region. Dabei könnte es sogar die regionale Kooperation fördern. Dafür setzt sich «EcoPeace Middle East» ein und erntet dafür Kritik.

Seine Arbeit geht in die Knochen. Bauer Ahmad Ata Shemaili hackt um einen Olivenbaum herum, mühselig in der staubtrockenen Erde. Immer wieder stösst seine Spitzhacke auf einen Stein im Boden. Shemailis Land befindet sich im hügeligen Kerak in Jordanien, einer steinigen Wüstenlandschaft, nicht weit vom Toten Meer entfernt, das Jordanien von Israel und dem Westjordanland trennt.

Drei Männer stehen auf einem Feld, im Hintergrund Olivenbäume
Legende: Bauer Ahmad Ata Shemaili (Mitte) auf seinem Feld. Thomas Gutersohn

Trauben, Oliven und Mandeln baue er hier an. Das jedenfalls sei die Absicht, denn was fehlt, sei der Regen: «Jetzt wäre eigentlich Regenzeit, doch diese Saison ist noch praktisch kein Tropfen gefallen. Normalerweise beginnt es Mitte November zu regnen hier, doch noch immer sind meine Wassertanks fast leer», sagt Bauer Shemaili enttäuscht.

Die Landwirtschaft in Kerak ist hauptsächlich auf Regenwasser angewiesen. Der geringe Niederschlag zwang den Bauer, die Hälfte seines Landes brach liegen zu lassen. Dies reduziert seinen Ertrag stark: «Wenn es weiterhin nicht regnet, muss ich bei kommerziellen Quellen im Tal Wasser kaufen und dieses mit einem Tankwagen hier hochfahren. Doch das ist sehr teuer.» Darauf muss sich der Bauer jedoch einstellen. Die UNO rechnet langfristig mit einer Halbierung des Niederschlages in Jordanien.

Trockener Boden, wenige Pflanzen überleben. Ein Baum ist umgestürzt.
Legende: Der Boden ist ausgetrocknet. Thomas Gutersohn

Jordaniens grösste Zuflüsse, der Jordan und der Jarmuk-Fluss, muss das Land mit Israel oder Syrien teilen. Seit etwa 10 Jahren pumpt Jordanien zudem Wasser vom Reservoir «Disi Water Aquifer» an der Grenze zu Saudi-Arabien quer durch das Land nach Amman.

Doch noch immer fehlen dem Land rund 500 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr, dies entspricht etwa der Wassermenge des Murtensees. Kreative Ideen sind also gefragt, um den Wassermangel in Jordanien in den Griff zu bekommen.

Meerwasser zu entsalzen und damit trinkbar zu machen, ist eine solche Idee, denn Salzwasser gibt es mehr als genug in der Region. Hier könnte Jordaniens Nachbar Israel Hand bieten. «Israel ist führend darin, Meerwasser zu entsalzen», sagt Yana Abu Taleb, die jordanische Leiterin der Umwelt- und Friedensorganisation EcoPeace Middle East. In Israel werden über 80 Prozent des Trinkwassers durch Entsalzungsanlagen gewonnen.

Abou Taleb im Porträt-Bild zwischen grünen Bäumen.
Legende: Yana Abu Taleb setzt sich mit der Organisation EcoPeace Middle East für eine Zusammenarbeit Jordaniens mit Israel ein. Ecopeace Middle East

Das Problem: Der Prozess, bei dem Salzwasser mit Hochdruck durch mehrere Membranen gepresst wird, benötigt viel Energie, die meist aus fossilen Quellen stammt. Um die Versprechen des Pariser Klimaabkommens jedoch einzuhalten, ist dies keine Option für Israel. Doch ist auch der Raum für Solaranlagen in Israel begrenzt.

Da komme Jordanien ins Spiel, erklärt Abu Taleb weiter: «Jordanien, mit einer grossen Wüstenlandschaft, hat enorme Kapazitäten, um Solarparks zu errichten.» Die Idee von EcoPeace Middle East: Jordanien verkauft Sonnenenergie an Israel für die Entsalzung von Meerwasser, im Gegenzug versorgt Israel Jordanien und die palästinensischen Gebiete mit Trinkwasser. 

EcoPeace Middle East für Friedensnobelpreis nominiert

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EcoPeace Middle East wurde am 7. Dezember 1994 gegründet. Die Organisation ist in Jordanien, Israel und den palästinensischen Gebieten aktiv. Ziel ist, die nachhaltige Entwicklung voranzutreiben und damit gleichzeitig die Grundlagen für ein langfristiges friedliches Zusammenleben in der Region zu schaffen. Dieses Jahr wurde die Organisation für den Friedensnobelpreis nominiert.

Eine Machbarkeitsstudie wurde durchgeführt, internationale Geldgeber gesucht und gefunden, 2021 haben Jordanien und Israel eine Absichtserklärung unterschrieben. Demnach soll Jordanien künftig 600 Megawatt Solarstrom für Israel produzieren und rund 200 Kubikmeter Trinkwasser nach Jordanien liefern, was dessen Wasserdefizit beinahe halbieren würde.

Die gegenseitige Kooperation würde mehr Vertrauen untereinander schaffen und somit den Weg bereiten für einen anhaltenden Frieden.
Autor: Yana Abu Taleb EcoPeace Middle East

Eine Win-win-Situation, sagt Yana Abu Taleb von EcoPeace Middle East. Doch das eigentliche Ziel ihrer Organisation ist es, durch solche Projekte der regionalen Kooperation den Frieden im Nahen Osten zu fördern: «Die gegenseitige Kooperation würde mehr Vertrauen untereinander schaffen und somit den Weg bereiten für einen anhaltenden Frieden», sagt Yana Abu Taleb.

Denn in Sachen Klima und Wasserknappheit sitze man trotz unterschiedlicher politischer Ansichten im selben Boot. «Die Umwelt kennt keine politischen Grenzen», sagt Yana Abu Taleb in Amman. EcoPeace hat Büros in Jordanien, Israel und den palästinensischen Gebieten und versucht, die jeweiligen Regierungen zu mehr Kooperation in Klimafragen zu bewegen, um so gegenseitiges Vertrauen zu schaffen.

Der Vertrag stand – dann kam der 7. Oktober

Der Kooperationsvertrag zwischen Israel und Jordanien stand letzten November zur Unterschrift bereit. Doch dazwischen kam die Attacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober und den damit verbundenen Krieg in Gaza. Jordanien zog sich aus dem Vertrag zurück. Und Israel überlegt seither, auch aus früheren Wasserabkommen mit Jordanien auszusteigen.

Das Problem ist die Kurzsichtigkeit der Politiker.
Autor: Hazim El-Naser Ehemaliger Wasserminister Jordaniens

Sehr zum Bedauern des ehemaligen Wasserministers von Jordanien, Hazim El-Naser. «Das Problem ist die Kurzsichtigkeit der Politiker. Jordanien hielt bis anhin das Thema Wasser fern von der Politik. Die Wasserversorgung des Landes ist bisher als technische Angelegenheit betrachtet worden, nicht als politische». Der ehemalige Minister und studierte Wasseringenieur bezeichnet sich selbst nicht als Politiker. Er war massgeblich an der Ausarbeitung des Wasser-Strom-Vertrages beteiligt: «Ich kenne den Vertrag in- und auswendig. Es braucht ihn, er ist wichtig für Jordanien und auch für Israel. Doch was im Moment in Gaza geschieht, zerstört jede Form regionaler Kooperation auf lange Zeit.»

El-Naser bei einem Auftritt, hinter dem Mikrofon.
Legende: Nazim El-Naser, ehemaliger Wasserminister von Jordanien, leitet heute die Nichtregierungsorganisation Middle East Water Forum. Nazim El-Naser

Ohnehin geniessen Kooperationsprojekte mit Israel nicht gerade viel Wohlwollen in der jordanischen Bevölkerung. Das weiss Yana Abu Taleb von EcoPeace Middle East: «Es war immer schon schwierig, sich für die Kooperation zwischen Israel und Jordanien einzusetzen. Doch nun ist es praktisch unmöglich.» Anti-israelische Bewegungen haben in der jordanischen Hauptstadt Amman unlängst zu Protesten gegen EcoPeace Middle East und die Normalisierungsbestrebungen mit Israel aufgerufen.

Protest mit jordanischen Flaggen und pro-palästinensischen Schildern. Die Frau im Vordergrund trägt eine Kuffiyeh.
Legende: Jordanier und Jordanierinnen bei einem Protest in Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung. Auf dem Schild der Aufruf: «Widerstand, Kampf, Boykott». (November 2023) Keystone/MOHAMMAD ALI

«Der Krieg hat die Menschen noch stärker polarisiert als vorher, und das Thema der Wasserknappheit ist in den Hintergrund gerückt, leider», sagt Yana Abu Taleb enttäuscht. Sie hofft aber dennoch, dass in ferner Zukunft, wenn der Krieg einmal vorbei sei – auf dem steinigen Weg der regionalen Kooperation weitermachen zu können.

Alles, alles, was meine Felder besser bewässert, ist willkommen.
Autor: Ahmed Ata Shemaili Jordanischer Landwirt

Auf dem Feld von Ahmed Ata Shemaili, wo die Wasserknappheit ein akuteres Problem darstellt als in der Stadt, scheint zumindest vordergründig eine gewisse Offenheit für solche Vorhaben zu bestehen. «Alles, alles, was meine Felder besser bewässert, ist willkommen», sagt Bauer Shemaili und hackt weiter in der ausgetrockneten Erde.

Echo der Zeit, 01.03.2024, 18 Uhr;kesm

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