Verteidigungsminister Joav Galant war schon lange auf Premier Benjamin Netanjahus «Abschussliste». Im März 2023 hatte er Galant schon einmal entlassen – lange vor dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober. Der Grund damals: Galant hatte Netanjahus geplante «Justizreform» öffentlich kritisiert.
Der geplante Umbau der israelischen Justiz trieb damals Hunderttausende auf die Strasse, sie befürchteten eine Schwächung der Gerichte und damit der Demokratie Israels. Die Proteste nach Galants Entlassung waren damals so massiv, dass Netanjahu zurückbuchstabieren musste. Nun feuert er seinen Verteidigungsminister abermals: mitten in einem Mehrfronten-Krieg.
Der «vernünftige» Ansprechpartner der USA
Galant war der «vernünftige» Ansprechpartner der USA und in einer Regierung, in der vorbestrafte, rechtsradikale Minister und ultrareligiöse Parteien sitzen, geleitet von einem Premierminister, der selbst wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht steht. Nun feuert ihn Netanjahu ausgerechnet, während die USA mit ihren turbulenten Präsidentschaftswahlen beschäftigt sind.
Als Hauptgrund für die Entlassung seines Verteidigungsministers nennt Netanjahu mangelndes Vertrauen und unterschiedliche Auffassungen über die Fortsetzung der Kriege, die Israel führt. Das Vertrauen zwischen dem Premier und seinem Verteidigungsminister war in der Tat gestört.
Nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 warf Premier Netanjahu der Armee und den Geheimdiensten Versagen vor. Selbst übernahm er nie Verantwortung. Zusätzlich belastet eine Affäre rund um vertrauliche, militärische Daten, welche an Medien weitergegeben wurden, das Verhältnis der beiden.
Netanjahu gibt den kleinen, radikalen Parteien nach
In seiner Abschiedsrede, drei Stunden nach seiner Entlassung, sagte Joav Galant: Man habe ihn entlassen, weil er für ein Geiselabkommen war, für eine Wehrpflicht für alle, ohne Ausnahmen für die Ultrareligiösen, und weil er eine Untersuchung des Hergangs der Ereignisse vom 7. Oktober 2023 verlangte.
Die Rechtsradikalen in Netanjahus Koalition waren immer gegen eine Waffenruhe im Gazastreifen und einen Geiseldeal. Die Ultrareligiösen wollen sich nicht ans Urteil des Obersten Gerichts halten, das auch sie zum Militärdienst zwingt. Netanjahu hat den kleinen, radikalen Parteien nachgegeben. Lieber den Verteidigungsminister entlassen, als riskieren, dass seine Koalition auseinanderbricht.
Für Galant kommt «Bulldozer»
Ersetzt hat Netanjahu Galant mit dem Hardliner Israel Katz, den er als «Bulldozer» lobt. Katz ist für eine Annexion des besetzten palästinensischen Westjordanlandes, und er hat UNO-Generalsekretär António Guterres zur «Persona non grata» in Israel erklärt.
Oppositionsführer Yair Lapid nannte die Entlassung des Verteidigungsministers mitten im Krieg «das irrste Ereignis in der Geschichte Israels». Wohl wissend, dass ihm niemand zuhört: schon gar nicht in der Nacht der US-Präsidentschaftswahlen.